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Gedanken zu Wikileaks

Diese Tage ist das Thema Wikileaks wohl kaum zu übersehen. Dabei scheinen wiedermal die Fronten eindeutig: Die Informationsfreiheit gegen Verheimlichung. Die Seiten sind klar positioniert. Da stellt sich die Frage, ist das wirklich so einfach ?

Die Hacker-Ethik ist eine der wichtigsten Grundprinzipien die in den 90iger Jahren entstanden sind. Das diese und die Modifikationen von Wau Holland heute zu Ehren gelangen, ist ein wichtige Entwicklung: Ein philosophisches Grundprinzp hält Einzug in die gesellschaftliche Debatte und das hätte sich kaum einer träumen lassen.

Durch die Philosophie als „Grundlagenforschung“ der Gesellschaften sind Entwicklungen wie Demokratie, Freiheit des Individuums, Gleichstellung der Geschlechter und viele andere Dinge erst ins Rollen gekommen. Wir erleben jetzt mit, wie Gesellschaften um ihre Weiterentwicklung kämpfen und die Hacker-Ethik ist nun eines der Grundprinzipien die auf den Tisch dafür liegt.

Aber solche Prozesse sind immer Diskussionen, Abwägungen und daher wäre es völlig falsch hier von allen Gruppen eine Konfrontationshaltung einzunehmen. Daraus kann nichts gutes erwachsen.

Das Internet erlaubt jeden Gedanken zu äussern (und wer mal erlebt hat, wie diese z.b. im Central Park von New York praktiziert wird, weiss auch: Jeder hat auch das Recht die zu ignorieren) und daher möchte ich meine Gedanken dazu teilen.

Bei der Wikileaks-Debatte geht es um drei Aspekte der Hacker-Ethik:

  • Alle Informationen müssen frei sein.
  • Mißtraue Autoritäten – fördere Dezentralisierung
  • Öffentliche Daten nützen, private Daten schützen.

Daher finde ich persönlich sollte man in der Diskussion folgende Aspekte einbringen:

Das Prinzip „Öffentliche Daten nützen, private Daten schützen.“ ist meiner Meinung nach so nicht mehr vollständig haltbar, es muss auch modifiziert werden.

Wir machen damit den Datenschutz zu einen Wettbewerbsnachteil und damit verliert man am Ende auch die Köpfe und Herzen der Menschen, den es ist „menschlich“ das jeder Mensch sich Gedanken macht, was eine Forderung für ganz persönliche direkte Auswirkungen hat. Ausserdem kann man nicht ignorieren, dass besonders junge Leute sich um Datenschutz und die Langzeitwirkung des „Das Internet vergisst nie“ keine Gedanken machen.

Wir brauchen die Möglichkeit Öffentliche Daten zu nutzen und müssen den Menschen die Fähigkeit – technisch, sozial, wirtchaftlich – geben zu entscheiden, was mit ihren Daten zu geschehen hat. Und diese Entscheidung muss respketiert werden – absolut. Von jeden Unternehmen, Privatperson und staatliche Organisation.

Öffentliche Daten nutzen, die Menschen absolut und endgültig in die Lage versetzen über ihre private Daten selbstzubestimmen.

„Waffengleichheit“ der Information

Wir brauchen praktische, technische und gesellschaftliche Diskussion, welche Auswirkungen hier die „Einseitigkeit“ hat. Die Veröffentlichung der diplomatischen Nachrichten bei Wikileaks zeigt das. Offenheit wird geschaffen, aber nur dort wo Offenheit in weiten (nicht in allen Teilen) schon geprägt wird. Das ist nicht immer gefahrlos, aber wohl eher nicht für „Leib und Leben“. Wie ist es in den Gesellschaften Chinas, Irans, Nordkoreas und vielen anderen Ländern. Wer Offenheit bei uns erweitern muss, muss Wege und Mittel finden die Offenheit auch in diesen Ländern zu fördern. Wenn in diesen Gesellschaften der „Fluss der Information“ innerhalb des Landes und nach aussen auch nur ein vergleichbares Niveau annimmt, wie das was wir auf Wikileaks über Diplomaten, Militär und die Regierungen lesen könnten, würden die dortigen Herrscher wohl kaum noch lange an der Macht bleiben.

Informationen müssen frei sein – und zwar überall.

Das heisst nicht, dass man nichts tut. Wenn sich die westlichen Gesellschaften als Vorbild für die individuellen Rechte der Menschen und als freiheitliche Gesellschaft verstehen, dann haben diese in der Vergangenheit Nachteile in Kauf genommen, um hier ein Vorbild für andere zu sein. Das ist auch hier wieder notwendig.

Offenheit und Freiheit

Diese Rechte haben schon immer auch Verantwortung mit sich gebracht:

Menschen die das Wahlrecht erstritten, müssen diese Nutzen und Abwägen wen sie ihre Stimme geben. Menschen die ihre Freiheit erkämpften, mussten diese nutzen und ihren Weg in die Zukunft selbst finden.

Von Seiten der Netzbürgerrechtsbewegung wird – zu recht – immer wieder gesagt, dass wirtschaftliche Interessen nicht private Interessen z.B. an Datenschutz und Privatheit überwiegen dürfen. Wenn es hier Konfliktpotential gibt, muss es klare Regelungen geben. Der Hinweis das Informationen auch schützenswert sein können und ihre Veröffentlichung sogar Menschenleben gefährden kann wird von der anderen Seite der Diskussion nicht ganz zu unrecht eingebracht.

Wenn Informationsfreiheit & Datenschutz möglichst wirtschaftlichen Interessen nicht geopfert werden dürfen, dann dürfen auch Menschenleben nicht per se dem Prinzip der Informationsfreiheit & Datenschutz geopfert werden.

Gerade im Falle der Wikileaks Veröffentlichungen wird das deutlich. Es gibt einen Berufszweig der in der Lage ist „rohe Informationen“ zu sicher, zu verarbeiten, Zusammenhänge zu erkennen, Hintergründe u recherchieren und angemessen zu Veröffentlichen. Ausserdem haben diese die Fähigkeit erlernt Quellen zu schützen und geniessen häufig in vielen Ländern Schutz der entsprechenden Verfassungen:

Dieser Berufszweig nennt sich „Journalist“. In der heutigen zeit gibt es eine breite Basis an Journalisten. Jene die (noch) in Redaktionen arbeiten, jene die freiberuflich tätig sind, jene die als Blogger und Microblogger Informationen und Meinungen von der Grasswurzel aus verbreiten.

Eine Infrastruktur die es erlaubt anonym mit Redaktionen, Journalisten und Bloggern Informationen auszutauschen wäre wünschenswert. Bei dem heutigen Kostendruck in Redaktionen wäre das für Redaktionen sicher von Vorteil. Insbesondere weil die Journalisten – so wie ja bekanntlich auch die Politik – nicht mehr in der Lage sind Technik so zu verstehen um z.b. die Anonymität von Informanten zu sichern. Dafür werden einfache Information-Drehscheiben benötigt. und gezielter Skandale aufzudecken funktioniert. Wikileaks hat sein Ziel die Quellen zu schützen und aus Daten echte Informationen zu machen verfehlt. Diesen Job haben Redaktionen und Journalisten in der Vergangenheit geleistet, und es scheint so das Wikileaks das nicht im notwendigen Masse schafft. Wie sollen zukünftige Informanten Wikileaks oder aktuelle Plattformen da vertrauen ?

Nur in wenigen Ländern sind heute Blogger genauso geschützt wie Journalisten, wenn es darum geht Quellen nicht preisgeben zu müssen und nicht durch willkürliche Strafverfolgung unter Druck gesetzt zu werden. Hier sind die USA in ihrer Rechtsprechung weiter als z.B. Deutschland.

Der Zugriff, die Verarbeitung und die Veröffentlichung von Informationen muss gewährleistet und geschützt sein.

Druck und Gegendruck

Nach den Veröffentlichungen von Wikileaks haben Unternehmen wie Amazon, EveryDNS, Paypal und vermutlich auch andere ihre Verträge mit Wikileaks gegründet. Die Begründungen sehen nicht sehr glaubhaft aus. Vermutlich zu Recht gehen diese Entscheidungen auf Druck von einzelnen Personen, Organisationen oder gar ganzen Regierungen zurück.

Die Unternehmen haben Verträge unterschrieben, sie haben gewusst was Wikileaks tut und sie wussten, dass so ein Fall passieren kann. Zu sagen, dass die Veröffentlichungen gegen Nutzungbedingungen verstossen würde ist gleichzusetze wie mit der überraschenden Erkenntnis am 6. Dezember, dass in 2 Wochen Weihnachten ist und man wohl mehr Mitarbeiter in der Logistik zum Pakete packen braucht.

Wenn Unternehmen so was tun und sich gegebenfalls Druck von oben nicht widersetzen, sind sie als zuverlässige Dienstleister für Unternehmen und Konsumenten unbrauchbar. Jede Privatperson, jedes Unternehmen kann zu Unrecht im Visier kommen. In einer Informationsgesellschaft ist der Zugang zu Waren und Dienstleistungen über diese Wege essentiell. Unternehmen können bei Ausfall ihres Rechenzentrums heute nach 24-72 Stunden so geschädigt sein, dass sie bankrott geben. Dienstleister haben verantwortungsbewusst zu handeln. Der Name Amazon oder Paypal entbindet nicht von dieser Pflicht.

Auf Wikileaks waren viele Informationen, auch jene die ohne jeden Zweifel nützlich sind. Die Wau Holland Stiftung kann über Paypal nach aktueller Berichterstattung keine Spenden mehr entgegennehmen, auch nicht für ihre eigene Arbeit.

Schon in den 90igern wurden teilweise UseNet Gruppen gesperrt, weil das Wort „sex“ drin vorkam und haben damit Menschen behindert die in UseNet-Selbsthilfegruppen über Folgen der sexuelle Gewalt anonym reden wollten. Unternehmen haben die Chance und die Pflicht vor Vertragsabschluss zu prüfen, mit wem sie Geschäfte machen. „Ausreden“ kann es da nicht geben. Unternehmen sind Teil der Gesellschaft. Sie müssen sich Druck widersetzen Menschen auf Grund ihrer Gesinnung zu entlassen genauso widerstehen wie dem Druck Verträge zu kündigen, weil jemand ein Unternehmen nicht mehr passt.

Der Gesetzgeber sollte Unternehmen die verantwortlichlos handeln für alle direkten und indirekten Wirkungen schadenersatzpflichtig machen und vollständige Beweislast den Unternehmen auferlegen, dass sie die Interessen ihrer Kunden ordnungsgemäss wahrgenommen haben.

Informationen sind frei und müssen geschätzt werden vor Zensur, Veränderung und Willkür durch Staat und Wirtschaft.

1 Kommentar zu „Gedanken zu Wikileaks“

  • admin:

    Beii Xing wird auch ueber das Thema diskutiert und zwar hier:

    https://www.xing.com/net/prife0655x/internetmarketing/internet-marketing-223/sollte-man-wikileaks-unterstutzen-neues-projekt-34223686/p0

    Mein Beitrag dazu veroeffentliche ich zusaetzlich hier:

    >Irgendwie merkwürdig: Als Nixon wegen der Watergategeschichte fiel, wurden die Journalisten zu Helden und sind
    >heute noch die Leitfiguren im Investigativen Jourmalismus: Aber auch sie haben sich geheimer Informationen, toter
    >Briefkästen und anonymer Informanden bedient. Sicherlich kann man Wikileaks nicht als „Journalismus“ bezeichnen,
    >aber es hilft der „vierten Macht im Staat“, Transparenz und Offenheit zu gewährleisten, Fragen zu stellen und die
    >Menschen zu informieren, um letztendlich diejenigen zu kontrollieren, die uns kontrollieren.

    Genau hier ist die Krux. Mein Eindruck ist, dass die aktuelle Fragen mit wikileaks immer noch vor dem Hintergrun der Erfahrung der letzten 40 Jahre diskutiert werden. Wir muessen sie aber im Hinblick auf die naechsten 40 Jahre diskutieren.

    Auf der einen Seite haben wir Redaktionen die zusammengestrichen werden, qualiativ hochwertiger Journalismus wird immer teurer und schwieriger – und findet so bald nicht mehr statt.

    Auf der anderen Seite gibt es das Internet, mit ihren Millionen Bloggern, die teilweise journalistisches Niveau erreichen. Viele Journalisten nutzen Blogs, twitter, Facebook, etc inzwischen als Quelle. Das ist kein Geheimnis, nur machen sich weniger deutlich das die Deutungshoheit sich damit von den klassischen Medien zum Internet wandelt.

    Einiges zu diesen Gedanken hier:

    http://www.siliconvalleyblog.de/blog/2010/08/29/ses-2010-der-flugelschlag-des-schmetterlings-und-die-medienwelt/

    Damit unterliegt die Deutungshoheit von Nachrichten aber immer mehr den Einfluss des Internet. Das heisst, Marketingfirmen koennen mit geschickten Social Media Kampagnen Einfluss auf diese Deutung nehmen und wie das dann am Ende in den Medien interpretiert wird. Mal ein „kleines Beispiel“ hier beschrieben:

    http://www.siliconvalleyblog.de/blog/2010/01/27/social-media-als-fuenfte-macht-teil-3/

    Wer wiederum technisch gut ausgestattet ist, kann die Meinungsmacht negativ beeinflussen. Der Spiegel hat da nicht so unrecht, was er hier schrieb:

    http://www.spiegel.de/netzwelt/netzpolitik/0,1518,733805,00.html

    Aber es gibt auch eine Seite. Aus Daten wie sie Wikileaks verbreitet, wird erst durch journalistische Arbeit „Nachrichten“ und „Information“. Und wir leben in einer Welt, wo es leichter ist an solche Daten in der westlichen Welt zu kommen.

    Wir finden eben keine 100.000 Dokumente aus der nordkoreanischen Regierung oder aus dem Iranischen Atomprogramm. Ich sage ehrlich, ich wuerde eher so eine Oeffentlichkeit in diesen Laendern sehen und deren Geheimnisse offengelegt, als – weitgehend – wirklich langweilige Dossiers von US Botschaften aus der Welt.

    Und wenn es diese Dossiers gibt, wuerde ich sie lieber den Redaktionen zugespielt sehen, die weit aus mehr Erfahrung damit haben, welche Informationen man wie aufbereitet veroeffentlicht ohne das medialer Kolletarialschaden oder gar Menschenleben gefaehrdet werden. Den die Gefahr die die Kritiker benennen kann man nicht einfach abtun.

    Meine Gedanken zu Wikileaks insgesamt findet man hier:

    http://www.websalon.de/2010/12/07/gedanken-zu-wikileaks/

    Terra

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