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Das Ende der Datenschutz-Geschichte

SDForum hat heute in Mountain View in den Räumen von Microsoft eine Konferenz unter dem Titel „The Analytics Revolution veranstaltet. 7 Stunden alles zum Thema Data Mining und was man mit diesen Daten machen kann. Die Liste der Vortragenden und Podiumsteilnehmer reichte von Microsoft, SAP und Google über Twitter, Zynga, Linkedin bis hin zu Wissenschaftlern beispielsweise aus den IBM Labs in San Jose.

Die Veranstaltung wurde mit einen Vortrag „Online Controlled Experiments: Listening to the Customers, not to the HiPPO“ von Ronny Kohavi eingeleitet, welche sehr interessant war. Danach folgten weitere Vorträge und Podiumsdiskussionen. Besonders die Podiumsdiskussionen „Competing on Analytics at the Highest Level” und „New Frontiers for Analytics“ hatten erst einen ernüchternden und dann einen frustrierenden Effekt bei mir ausgelösst.

Grundsätzlich zeigen die Geschichten rund um myspace.com und deren Verlust an Nutzern, aber auch die aktuellen Diskussionen um Google Analytics oder die politischen Debatten rund um Facebook und Datenschutz sollten zum Denken anreden. Schon früher bekam ich den Eindruck, dass diese Debatten teilweise verlogen geführt werden. Bekannte Namen werden herausgegriffen, insbesondere jene wo man sich lange daran reiben kann, während einheimische Datensammler nicht in der Presse auftauchen.

Es war aber erschreckend mit welcher Selbstverständlichkeit die Teilnehmer über die Speicherung von Daten geredet haben und was diese damit machen. Fragen in wie weit man mit unterschiedlichen Rechtsprechungen in anderen Ländern umgeht oder welche Daten man aus Gründen des Schutzes der Freiheit und um die Demokratie nicht zu gefährden,  kamen weder bei den Podiumsteilnehmer, noch den Konferenzteilnehmern auf. Die Datensammelwut war eine Selbstverständlichkeit.

Nun ist es nicht so, dass ich total gegen Datenspeicherung bin. Die Optimierung von Webseiten um nutzerfreundliche Seiten zu gestalten und legitime Wünsche, dass man z.B. für Werbung auch belastbare Belege haben will, bestehen völlig zu recht. Es gab und gibt Methoden mit Hilfe von repräsentativen Stichproben und statistischen Methoden, oder auch lokal gespeicherten Statistiken solche Daten zu erfassen. Zentrale Datensammlungen sind dafür nicht zwingend notwendig. Der Aufwand ist größer, aber es hat nie jemand gesagt, dass Grundwerte einfach zu schützen sind.

Was mir die Konferenz gezeigt hat ist, dass der Kampf um Datenschutz bzw. der Privacy – ein viel besserer Begriff – schon verloren ist. Daten werden überall erhoben. Wie ich nun erfuhr, kann ich ein Spiel spielen, Facebook besuchen oder bei Google ein Bild suchen, und es werden Daten gesammelt. Teilweise anonym, teilweise aber auch nicht. Insbesondere bei Anwendungen wie sie von Zynga oder Flurry erfasst werden, gehen weit über das hinaus, was bei Google Analytics beispielsweise kritisiert werden. Und anders als bei Facebook, geschieht das alles ständig und im verbogenen.

Laut Peter Farago, Vice President für Marketing bei Flurry soll sich auf jeden iPhone 3 Anwendungen befinden, die an das Flurrysystem gekoppelt sind. Schon beim Start der Anwendung, werden Informationen über verwendetes Betriebssystem, aber auch in welcher Stadt man sich aufhält und andere Daten übertragen. Auch nach dem Start, werden alle Klicks übermittelt. Selbst das abschalten der UMTS oder WLAN Verbindung schützt nicht. Die Daten werden gesammelt und bei nächst bester Gelegenheit übermittelt.

Das anderes Beispiel kam von Ken Rudin vom Farmville-Erfinder Zynga aus dem Spiel Mafia Wars. Im Rahmen von Analysen hatte man ermitteln, dass Nutzer die sich mit anderen Nutzern und deren Mafiaclans bekriegten doppelt soviel Zeit im Spiel verbrachten, als jene die eine kriminelle Karriere als Bankräuber oder ähnliches wählten. Im Endeffekt war die Ursache, dass Nutzer miteinander im Wettbewerb stehen wollen und natürlich der Nachbar-Mafia-Klan nicht besser sein darf, als man selbst. Also spendet man Zeit und/oder Geld, um bessere Maschinengewehre und ähnliches zu erwerben. Durch Experimente hat man in die Nutzungsoberfläche verbessert, dass die Spieler eher zum Fighten verleitet werden. Das führte zu einer erhöhten Conversation Rate und damit schlussendlich zu höheren Umsätzen. Es ist leicht zu überlegen, was alles für Daten über Spielgewohnheiten erfasst sein müssen, um auf so einen konkreten Level Umsätze zu steigern.

Als Vergleich sei mal Facebook erwähnt. Alle bei Facebook gespeicherten Daten von Nutzern, aber auch die statischen Daten umfassen 400 TB an Daten. Zum Vergleich, der komplette digitale Datenbestand der US  Library of Congress beträgt gerade mal 20 TB.

Es gibt keinerlei Bedenken anscheinend solche Daten zu erheben. Vielleicht kann man die Anbieter wie Zynga mal mit den Erfahrungen der Internet-Sperrdebatte erschrecken.

Natürlich gibt es Anwendungen, die diese Speicherung z.B. bei iPhone Anwendungen verhindern. Aber ähnlich wie Ad-Blocker in Browsern, haben nur ein geringer Anteil von Nutzer das Wissen, die Lust oder das Wissen solche Anti-Datensammlungstools zu installieren.

Es gilt, wenn sich das Volk nicht selbst schützen kann, dass der Gesetzgeber gefragt ist. Wir brauchen eine politische Debatte nicht über Google Analytics oder Facebook. Wir brauchen eine gesellschaftliche Debatte, ob und was wir an Datenspeicherung akzeptieren wollen und was nicht. Der Nutzen, die kurzfristigen und die langfristigen Risiken müssen völlig neu abgewogen werden. Die Datenschutzgesetze helfen nicht, da die Datenschutzbeauftragten unterbesetzt sind, nur wenig Einfluss auf Unternehmen haben und die Datensammlungen in einen Rahmen zunehmen, dass es irgendwann nichts mehr dagegen zu tun kann.

Nehmen wir doch die Argumente der Politik aus der Internet-Sperrdebatte wörtlich. Jeder, der an der Speicherung von solchen Daten beteiligt ist, ist potentiell dabei eine Straftat zu begehen, wenn sie über das gesellschaftlich vertretende hinausgeht. Internet Provider, Rechenzentrumsprovider, Storage Provider wie Amazon Cloud, usw.

Oder lasst uns Internet Filter einführen, zentral von Datenschutzbeauftragten gepflegt, die alle Datensammlungen an Server von Werbeanbietern und Anbieter wie Flurry unterbindet. Jetzt sag keiner, dass wäre unmöglich oder überzogen. Bei dem Thema „Internet Sperren“ wurde das bedenkenlos vorgeschlagen.

Natürlich ist das – wie bei den Internet Sperren – der falsche Weg, aber entweder entscheidet sich die Politik und Gesellschaft endlich zu überlegen, wie man in dem globalisierten Internetzeitalter damit umgeht oder man kapituliert. Unternehmen speichern Daten, weil es kein Unrechtsbewusstsein gibt. Ich habe keine Lösung, aber wir brauchen mehr als eine Facebook und Google Analytics-Debatte. Wir brauchen eine Debatte über Daten- und Auswertungswut. Wieviel „Optimierung von Webseiten“ und „Umsatzsteigerung“ kann sich die Gesellschaft leisten, wenn sie dafür ihr Wehrhaftigkeit gegenüber Missbrauch vollständig aufgibt. Das ist im Interesse der Gesellschaft, aber auch der Wirtschaft. Einige Unternehmen sammeln Daten, andere trauen sich nicht mehr irgendwelche Daten zu erheben aus Befürchtung der nächste Datenschutzkanal zu sein. Damit beschränkten sich die Unternehmen ihre Anwendungen zu verbessern und damit erfolgreicher zu sein.

Schon lange wird Datenschutz als Behinderung bei der Verfolgung von Straftaten wahrgenommen, jetzt entwickelt es sich im internationalen Markt als Wettbewerbsnachteil herausstellt. Der heutige Datenschutz erfüllt keinen Zweck, er schützt weder die Bürger, noch schafft es Rechtssicherheit.

Die Argumente der Politik aus der Internet-Sperr-Debatte sollte sich gegen die Politik richten. Das ist der kategorische Imperativ in Reinkultur, vielleicht wird dann die Debatte entfacht über ein Datenschutz gestartet, der die Bürger schützt, der Wirtschaft Planungssicherheit gibt und in der Gesellschaft als Vorteil und nicht als Hindernis wahrgenommen wird.

5 Kommentare zu „Das Ende der Datenschutz-Geschichte“

  • Gutenberg:

    Chapeau!
    Ich kann dieser Analyse nur zustimmen.
    Es wird viel zu selten gesagt, dass das aktuelle Datahandling durch die Web-Oligarchen die Idee von/das Menschenrecht auf Privatsphäre unwiderbringlich zerstört.
    Und ebenso selten hört man, das die Politik in dieser Situation, bei akuter „Bedrohungslage“ durch die Datensammler, ihrer Verantwortung nicht nachkommt, die Dinge zu regeln, die ein Einzelner nicht regeln kann
    So ein Beitrag wie dieser hier hilft zu erkennen, worauf es wirklich ankommt: z.B. auf die Forderung nach „Totaler Transparenz“, nicht der User sondern der Betreiber Zynga & co. Welche Daten haben die Datensammler? Jeder sollte das Recht haben, dies über sich selbst zu erfahren.

  • […] machen damit den Datenschutz zu einen Wettbewerbsnachteil und damit verliert man am Ende auch die Köpfe und Herzen der Menschen, den es ist […]

  • […] wieder viel lesen, den die Datenschützer haben die Gespräche mit Google abgebrochen. Welches negatives Signal das am Ende auch für den Datenschutz bedeutet, muss jeder für sich selbst […]

  • … [Trackback]…

    […] Read More: websalon.de/2010/04/10/das-ende-der-datenschutz-geschichte/ […]…

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