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Was ist CSCW?


CSCW steht fuer Computer Supported Cooperative Work und ist eine relativ
neue Forschungsrichtung der Informatik, die sich, wie das Wort schon sagt,
mit der kooperativen Arbeit befasst und zwar insbesondere ob und inwieweit
sich diese mit Computern unterstuetzen laesst.

Genauer versteht man nach Oberquelle (Wissenschaftler an der Uni Hamburg)
unter CSCW die kooperative Arbeit, fuer die Groupwareunterstuetzung
vorhanden ist. Groupware ist dabei Mehrbenutzersoftware zum Austausch
oder zur gemeinsamen Bearbeitung von Information.

Seit etwa 1984 wird unter dem Begriff CSCW geforscht, obwohl schon frueher
Arbeiten auf diesem Gebiet veroeffentlicht wurden.
Die erste internationale Konferenz zu diesem Thema fand 1986 statt.

Was ist Kooperation?

In der CSCW klassifiziert man Kooperation mit den Begriffen:
        1. informing            (informieren)
        2. coordinating         (koordinieren)
        3. collaborating        (zusammenarbeiten)
        4. cooperating          (kooperieren)

die zunehmend weniger lose Kopplung der zusammenarbeitenden Parteien
beschreiben. Informing ist dann beispielsweise das Austauschen von
Nachrichten ueber eine Pinwand (oder ueber das Usenet), Coordinating
schliesst die Nutzung gemeinsamer Resourcen ein (z.B. ein Flugreser-
vierungssystem) und Cooperating ist eine enge Zusammenarbeit, die auf
ein gemeinsames Ergebnis (Gruppeninteresse) zielt, also beispielsweise
eine gemeinsame wissenschaftliche Arbeit oder Software.

Wie veraenderte sich die CSCW?

Zunaechst wurde Groupware von denselben Leuten produziert, von denen sie
eingesetzt wurde und die User Interfaces sahen daher auch entsprechend
aus. Die CSCW war eher technikzentriert, entwickelte sich dann aber immer
mehr zu einem interdisziplinaeren Forschungsgebiet, d.h. Wissenschaftler
aus den Bereichen Psychologie, Soziologie, Sprachwissenschaft, etc.
begannen sich fuer die Thematik zu interessieren.

Die Anwendungsmoeglichkeiten der gewonnenen Erkenntnisse sind vielfaeltig:
Einige sehen in Groupware die Moeglichkeit zu kreativerer Forschung,
andere wollen mit ihr Bueroautomatisierung betreiben.
Obwohl aber seit ueber fuenf Jahren weltweit geforscht und entwickelt
wird, hatte man bisher noch keinen betrieblichen Erfolg beim Einsatz
von Groupware.

Welche Probleme liegen in der CSCW?

Wenn Menschen miteinander interagieren, so funktioniert dies in der Regel
ohne technische Probleme, eben weil die verwendeten Techniken bei Menschen
bereits von der Evolution fuer diesen Zweck optimiert sind.
Viele Dinge, die Menschen tun, sind aber fuer Computer sehr schwierig,
wie z.B. Objekterkennung und Sprachverstehen.
Man uebersieht auch leicht, dass die Prinzipien des erfolgreichen
Zusammenarbeitens noch nicht genau bekannt sind. Um ein System zu
designen, das die Kooperation unterstuetzt und den Einfluss von solchen
Systemen auf Gruppen und Organisationen beurteilen zu koennen, muesste
das Verhalten von Individuen und Gruppen an verschiedenen Arbeitsplaetzen
noch viel tiefer erforscht werden.

Andererseits ist man sich auch nicht sicher, ob und wieweit Kooperation
durch elektronische Medien sinnvoll unterstuetzt werden kann.
Manche Forscher behaupten mit Computern sei maximal eine Kooperation
bis Ebene 3 zu realisieren und fuehren entsprechende Experimente an.
Einen Beweis kann man natuerlich nicht fuehren.

Beispiele fuer CSCW Systeme.

Ich moechte zwei untypische, aber interessante Beispiele fuer Groupware
machen: das Cognoter System (Foster+Stefik) zur gemeinsamen Vorbereitung
von wissenschaftlichen Vortraegen und ein rudimentaeres Konferenzsystem,
das Internet Relay Chat System.

Beim Cognoter System haben die beteiligten Parteien die Moeglichkeit
in einem Brainstormingprozess Begriffe auf ein gemeinsames Blackboard
abzulegen. Im zweiten Schritt kann man an die Begriffe Erlaeuterungen
ankleben und die Begriffe sortieren und hierarchisch strukturieren.
Die Teilnehmer bekommen ein grafisches Bild der Information in Form
eines Netzes der Information.

Obwohl es bei den Entwicklern des Systems sehr beliebt war, stiess es
bei echten Anwendern auf Probleme. Anscheinend hatten die Entwickler
ein falschen Modell der Kommunikation. Cognoter implementierte eher
eine paketorientierte Uebertragung der Information, anstatt einer
interaktiven. Dadurch vernachlaessigte man den Aspekt, dass die
Teilnehmer aktive Agenten sind, die sich korrigieren und bereits
vor der vollstaendigen Uebertragung Feedback liefern koennen. Diese
Art der Kommunikation verringert die Gefahr von Misverstaendnissen
und erhoeht die Bandbreite der Uebertragung (also der Menge der
richtig uebertragenen Information pro Zeit) erheblich.
Cognoter hatte also eher ein Kommunikationsmodell schriftlicher Art,
als ein muendliches.

Internet Relay Chat (IRC) ist eine andere Art von System, das fuer
keine besondere Anwendung, sondern aus der Praxis heraus konzipiert
wurde und daher von sich aus die Information nur gering strukturiert.
Die logische Informationseinheit des IRC ist die Zeile.

Das IRC System kennt nur sehr elementare Konzepte:
        + den Benutzer, der durch einen eindeutigen Namen in einem
          flachen Namensraum identifiziert wird.
        + den Kanal, der einen Namen und Attribute traegt, und eine
          Menge von Benutzern als Mitglieder enthalten kann.
        + die Nachricht, eine Zeile die aus Zeichen besteht.

Nachdem ein Benutzer sich dem System bekanntgemacht hat, kann er einen
Kanal waehlen. Er wird damit Mitglied des Kanals.
Jede Nachricht, die ein Mitglied dieses Kanals sendet, wird an alle
anderen Mitglieder des Kanals synchron ausgeliefert. Zusaetzlich kann
jeder Benutzer direkte ("private") Nachrichten an andere Benutzer,
unabhaengig von deren Kanalzugehoerigkeit senden und von ihnen empfangen.
Alle Nachrichten werden sequentiell von oben nach unten unter Kennzeichnung
des Senders auf dem Bildschirm des Empfaengers dargestellt.
Ein Benutzer kann Mitglied in mehreren Kanaelen sein.
Man kann Nachrichten bestimmter Benutzer oder ganze Kanaele in
verschiedene Bereiche des Bildschirms sortieren lassen. (Fenstertechnik)

Benutzer koennen Nachrichten nach verschiedenen Kriterien filtern.
Benutzer koennen zwei Attribute haben, welche sie mit zusaetzlichen
Rechten und Pflichten ausstattet.
Die Auslieferungszeit fuer Nachrichten betraegt in der dezeitigen
Implementation in der Regel einige Sekunden, die Auslieferung ist
nicht garantiert.

Interessant ist, dass bereits diese einfachen Konzepte erlauben,
kompliziertere Dienste, wie z.B. einen Directory Service, zur
Abbildung der Nicknames auf vollen Namen oder Emailadresse,
in das System einzubinden. (NickServ)
Dazu meldet sich ein Programm als virtueller Benutzer beim
System an und reagiert auf bestimmte Nachrichten.

Das IRC System erlaubt eine hohe Interaktivitaet und laesst sich
wegen der fehlenden Strukturierung der uebertragenen Information
fuer einen weiten Bereich von
Anwendungen einsetzen. Mit IRC koennen sowohl wissenschaftliche
Diskussionen gefuehrt, als auch Partnerschaften angebahnt werden.
Es erlaubt aufgrund der weltweiten Vernetzung eine schnelle und
bequeme Methode Nachrichten geringer Bandbreite auszutauschen.
Die fehlende Strukturierung macht hingegen Anwendungen schwierig,
die einen Zustand benoetigen (also z.B. eine gemeinsame Informationsbasis,
modifizieren, wie bei Cognoter), weil die Mitglieder eines Kanals
ausserhalb des Systems Buch ueber die Veraenderung der Information
fuehren muessen.(*)
(*)Ueblicherweise umgeht man dieses Problem dadurch, dass eine
Konferenz protokolliert und von einem Protokollfuehrer zu einem
Protokoll zusammengefasst per E-Mail an die Mitglieder versandt
wird.

Obwohl das IRC System im wesentlichen nur einen der Aspekte des
Begriffs Groupware abdeckt, naemlich den Austausch von Information,
laesst sich meiner Meinung nach dennoch die kooperative Arbeit auf
allen vier Ebenen der Kooperation damit unterstuetzen.

Wie man sieht, ist die CSCW ein interessantes Forschungsgebiet,
dessen Anwendungen jeden einzelnen von uns betreffen.
Die elektronischen Medien werden das Verhalten der Menschheit
nachhaltig beeinflussen.

                                Arne Ludwig (arne@rrzbu.hanse.de)

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