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Deutsche Interessengemeinschaft Internet in Hannover


Der Kampf um die administrativen Aufgaben in Internet-basierenden Netzen
in Deutschland scheint sich zur Never-Ending-Story zu entwickeln. Wie
vielleicht den Lesern der entsprechenden Artikel in den vergangenen 
Chalisti's bekannt sein duerfte, hat das Deutsche Network Information
Center (DE-NIC) im letzten Jahr schon auf einer neuen Grundlage gearbeitet.
Nachdem die Universitaet Dortmund das DE-NIC nicht mehr kostenlos betreiben 
wollte, hat das Verein zur Foerderung eines Deutschen Forschungsnetzes (DFN-
Verein) die Finanzierung fuer die ersten 9 Monate 1991 uebernommen. Dafuer 
sollte Ruediger Volk, Leiter von DE-NIC, zwei Mitarbeiter ausbilden. Der DFN-
Verein wollte dann von 4/91 an, den DE-NIC in Berlin, dem Sitz des Vereins, 
weiterbetreiben. Hierbei hat nun der DFN-Verein einige Fehler gemacht. 
Beispielsweise gab es einige Fragen und Unklarheiten seitens der Mitglieder 
und einer Arbeitsgruppe ueber die Zuverlaessigkeit des Betriebes. Gleichzeitig
kam es einigen Leuten suspekt vor, dass der DFN-Verein - ein erklaerter
Befuerworter der OSI-Entwicklung - einen zentralen administrativen Internet-
Dienst uebernehmen wollte. Ein indirekter Druck seitens des DFN an die 
Teilnehmer, doch lieber auf X.400 und OSI-Protokolle zu setzen wurde nicht 
ausgeschlossen. Nicht unaehnlich dem jahrelangen Druck das Deutsche EARN 
aufzugeben und das X.400-Netz des DFN zu nutzen. 

Das Problem im letzten Jahr war nun, dass Ruediger Volk die DE-NIC-Aufgabe
nicht an das DFN abgab, sondern nach einer anderen Loesung suchte. Es gab
die Idee einer Interessensgemeinschaft Internet (DIGI), die sich als
Verein konstituieren sollte und unter anderen die Aufgaben des DE-NIC
wahrnehmen und - nicht unwichtig - finanzieren sollte. Ein Verein mit
solcher Aufgabenstellung laesst sich aber nicht so ohne weiteres gruenden
und daher befindet sich die Deutsche Internet-Welt in einen recht desolaten
Zustand - wenigstens erzeugt sie diesen Eindruck auf jeden Fall in den
USA, beim weltweiten NIC. 

Bei einen Treffen zwischen den IP-Providern, DIGI-Vertrtern, dem DFN und 
dem derzeitigen DE-NIC-Betreiber Uni Dortmund wurde am 11.3.1992 nun eine 
Loesung fuer 1992 gefunden. Dabei sollen die anfallenden Kosten nach einen 
Umlageschluessel auf die 3 IP-Provider in Deutschland ... also dem DFN in 
Berlin, XLink in Karlsruhe und EUnet in Dortmund ... umgelegt werden. Unter 
dieser Bedingung war die Uni Dortmund, durch den Leiter des Informatik-
Rechnerbetriebs (IRB) vertreten, bereit ein Angebot fuer den diesjaehrigen 
Betrieb des DE-NIC zu stellen. Soweit die Theorie. Als nun 5 Tage spaeter 
das DIGI-Gruendungstreffen auf der CeBIT standfand, gab es schon die ersten 
Probleme. Herr Rauschenbach vom DFN wies darauf hin, dass dieser Loesung 
a) noch nicht zugestimmt sei und b) das auch der DFN-Verein weiter bereit 
ist, den DE-NIC zu betreiben. Er widersprach damit Herrn Martens, der - als 
er ueber das Treffen vom vorherigen Mittwoch berichtete - das nur die Uni 
Dortmund sich fuer den Betrieb eines DE-NIC gemeldet hat. Allerdings war Herr 
Rauschenbach bei dem Treffen nicht selbst dabei, sondern ein anderer Vertreter 
des DFN-Vereins: Herr Wilhelm. Als Interpretationsmoeglichkeit bleibt daher 
festzustellen, dass die Informations- und Entscheidungswege im DFN-Verein
noch verbesserungswuerdig sind. Eine Klaerung der Lage fuer 1992 steht
auf jeden Fall weiterhin aus. 

Nun aber zum DIGI-Gruendungstreffen. Herr Martens uebernahm die Versammlungs-
fuehrung und legte verschiedene Vorschlaege fuer DIGI auf den Tisch, so
z.B. eine moegliche Satzung, drei Varianten fuer die Organisationsstruktur, 
ein Businesspplan fuer 1992 und eine vorlaeufige Beitrittserklaerung. 

Als erstes wurden die geplanten Aufgaben des DIGI besprochen. Wenn in der 
Oeffentlichkeit von DIGI die Rede ist, wird das ja gleich mit dem Betrieb 
des DE-NIC in Verbindung gebracht. Dies ist aber eine Einschraenkung der
Aufgaben, die da sind:

        - Foerderung des Informationsaustausches zwischen des Netzwerk-
          benutzern
        - Sicherstellung der erforderlichen Administration des deutschen
          Internet (Adressvergabe, DNS, Abstimmung und Zusammenarbeit mit
          der europaeischen (RIPE) und globalen Internet-Administration 
          (NIC))
        - Unterstuetzung der Koordination zwischen den Dienstanbietern
        - Hilfestellung zur Weiterentwicklung von Dienst und Technik 
        - Erweiterung der Reichweite des Internets durch Verbreiterung 
          der Teilnehmerbasis und Verbesserung der Interkonnektion mit
          Netzwerken und -diensten anderer Technik (z.B. Integration 
          mit OSI-Applikationen)
        - Foerderung fairen Wettbewerbs und konstruktiver Zusammenarbeit
          der Dienstanbieter zur Optimierung von Preisen und Leistungen
          im Sinne der Nutzer
        - Forum zur Formulierung der Nutzerinteressen

Unter den 50 Teilnehmern wurden dann die Strukturen und Satzungsaenderungen
besprochen. Aus der Diskussion wurde deutlich, dass die Mehrheit die
Notwendigkeit einer DIGI-Gruendung sah und, viele waren auch bereit, als
Gruendungsmitglieder aufzutreten. Allerdings merkte Herr Rauschenbach vom
DFN-Verein an, dass er bezweifele, dass DIGI berechtigt sei, die Internet-
Gemeinde zu vertreten. Wer sich umguckte, konnte dies nachvollziehen. Die
meisten Internet-Teilnehmer in Deutschland sind heute immer noch Uni-
versitaeten, und von denen waren kaum Vertreter anwesend. Aber auch das
EUNet hatte keinen Vertreter gesandt und Prof. Zorn von der Uni Karlsruhe
musste leider vorher gehen. Insofern wird es DIGI sicher schwer haben,
sich das Vertretungsrecht fuer eine ganze "Gemeinde" zu erarbeiten. 

Danach wurde erstmal der Businessplan vorgestellt. Es wird davon
ausgegangen (eher: Gehofft), dass sich 250 persoenliche Mitglieder
und 20 institutionelle Mitglieder finden werden. Die Mitgliedsbeitraege
sollen dabei 60DM/Jahr fuer Studenten, 120DM/Jahr Normalverdiener und 
600DM/Jahr fuer institutionelle Mitglieder betragen. Als Ausgaben
werden 10.000 DM fuer Mailing-Aktionen, Hilfskraefte, Buero, Telefon, 
Porto und Gruendungsgebuehren angenommen. Desweiteren 8.000 DM fuer
DIGI-Rechner-Betrieb, Mail-Knoten, etc., 12.000 DM fuer ein Newsletter und
12.000 DM fuer den NIC-Betrieb. 

Auf dem Gruendungstreffen wurde ein Praesidium mit verschiedenen Organen
geschaffen: dem 3-koepfige Vorstand, ein NIC-Beirat, ein Netzanbieter-
Beirat, das Organ "Sprecher der Arbeitsgruppen" und das Organ "Sprecher
der regionalen Gruppen". Nachdem auch ueber die Satzung diskutiert wurde
und kleinere Aenderungen vorgenommen wurden, ist DIGI am Montag, den
16.03.1992 um 16:21 Uhr gegruendet worden. 

Nun ging es weiter mit Wahlen; Zum Vorsitzenden wurde Hubert Martens
(Multinet Services GmbH), Dave Morton (ECRC GmbH) wurde Stellvertreter
und Herr Reinke als Kassenwart gewaehlt. Desweiteren wurde der NIC-Beirat
gewaehlt. Dieser besteht aus drei Netzbenutzern, 2 Netzbetreibern und
einem nicht stimmberechtigten Vertreter des NIC-Betreibers. 

Da keine Netzbetreiber anwesend waren, wurden erstmal die Netzbenutzer 
gewaehlt, als da waeren: Enno de Fries (FU Hagen), Hans Peter Dittler
(Conware) und Andreas Baess (IN). 

Ebenfalls wurden mehrere Arbeitsgruppen angeregt, naemlich Broschuere 
Internet-Infos, Erfahrungsaustausch, Netzmanagement, Einsatz von Internet 
und "Sicherheit, Datenschutz, rechtliche Probleme". Es gab die Moeglichkeit,
sich fuer die Arbeitsgruppen zu melden und in Listen einzutragen. Desweiteren
wurde ein weiteres DIGI-Treffen fuer den Herbst angesetzt. 

Nach 4 Stunden wurde das Gruendungstreffen beendet. Alles in allen schien
DIGI einen guten Start gehabt zu haben. Inzwischen ist dies aber mit
Vorsicht zu geniesen. Leider haben die Gruendungsmitglieder bis heute
kein Protokoll erhalten, sind die Arbeitsgruppen nicht eingerichtet und
der Verein allen anschein nach nicht eingetragen worden. Also bleibt es 
auch weiterhin so, dass die Internet-Landschaft langsam aber sicher einen
Zustand entgegenschlittert, der wohl an chaotischen Zustaenden sogar die
besten Zeiten des CCC uebertrumpfen duerfte.

                                                                Terra


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