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Supraleitung, oder "Widerstand ist zwecklos"


Ich tingel so gemuetlich durch die Halle 22 der CeBIT, als auf einmal Terra
(der einzige Mensch der schneller rotiert als seine Platte) mir einen
unerwarteten Auftrag verpasst. Ich soll, praedestiniert durch mein Nebenfach
Physik, fuer ihn einer Pressekonferenz ueber Supraleitung beiwohnen. Er
hatte mal wieder eine Terminkollision, denn eine bekannte Politikerin
referierte ueber den Gebrauch von Dienstwagen. Da ich sowieso schon einen
Artikel schreiben wollte und Widerstand sowieso zwecklos ist, stimmte ich zu.

Mein erster Eindruck der Pressekonferenz war "Du bist hier falsch". Alle
(anderen) schienen sich gut zu kennen. Dieses stimmte denn auch. Ich war
auf den Pressestammtisch der TeLi (Technisch Literarischen Gesellschaft)
geraten. Diese Journalistenvereinigung widmet sich dem Ziel Tagespresse
und wissenschaftliche Information miteinander zu verbinden. Die
Regionalkreise veranstalten Gespraechskreise und Informationsveranstaltungen
zu diversen wissenschaftlichen Themen. Die von mir besuchte "Presskonferenz"
war eine eben solche Veranstaltung, die die Supraleitung zum Thema hatte.

Ueber den Vortrag selber etwas zu schreiben ist schwierig. Er fand auf einem
hohen Niveau statt und gab einen generellen Ueberblick ueber die Entwicklung
auf dem Gebiet der Supraleiter, speziell der Hochtemperatur-Supraleiter.
Neben den physikalischen Grundlagen ging der Vortragende auch auf die
Anwendung ein. Da dies fuer die meisten von uns der interessanteste Punkt
sein duerfte, moechte ich darauf stichwortartig eingehen:

- Die Erwartungen an die Hochtemperatur(HT)-Supraleiter waren masslos
  ueberzogen.

- Verwertbare Resultate werden erst um die Jahrtausendwende erwartet.

- Nicht ueberall bedeuten HT-Supraleiter einen Durchbruch. Sie bedeuten
  nur dort einen wesentlichen Fortschritt, wo die Kuehlkosten einen
  Grossteil der entstehenden Kosten verursachen. Dies ist aber nicht
  ueberall der Fall.

- Probleme bereiten haeufig die verwendeten Materialien. Auch die
  Herstellung bestimmter Komponenten erweist sich als groesseres
  Problem als die Temperatur.

- Auf Basis konventioneller Supraleiter ist es gelungen, einen mit einer
  Taktrate von 1 GHz betriebenen 4-Bit Prozessor zu bauen. Moeglich
  scheinen Taktraten bis 50 GHz. Als Zeitraum wurden die naechsten 10
  Jahre genannt.

Ein weiterer interessanter Punkt waren die Gelder, die in diesem Bereich
in die Forschung gesteckt werden. So wurden fuer die Forschung fuer die
Jahre 1989-1995 300 Millionen DM veranschlagt. Zu diesen Bundesmitteln
kommen noch Finanzen aus den Laendertoepfen.

Insgesamt machte der Vortrag deutlich, dass sich die Forschung in diesen
Bereich noch in den Kinderschuhen steckt. Vieles was in den letzten Jahren
durch die Presse aufgebauscht wurde erweist sich als Seifenblase.

Was das Gefuehl des "falsch-seins" angeht, so gab sich dieses schnell. Am
Ende des Vortrages wurde ich von TeLi-Mitgliedern auf die Messehalbzeit
eingeladen, da mir die Messegesellschaft selber den Eintritt verwehrt hatte.

Martin Seeger , ms@informatik.uni-kiel.dbp.de

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