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Presserecht in Mailboxen


Veranstalterin: Tanja Irion (c/o Wieske's Crew, Tel. 040/2500146)

Thema war das Presserecht in nicht-gewerblichen Mailboxen. Tanjas
Studie hierzu ist bei ihr oder im CCC-Archiv erhaeltlich.

(Presse-)Rechtlich ist das Medium Mailbox nur schwierig einzuordnen.
Ist es ueberhaupt presserechtlich erfasst?

Hierzu zunaechst die juristische Mailbox-Definition:
Eine Mailbox ist eine elektronische Einrichtung, die jedermann, der
ueber die technische Ausstattung verfuegt, ansprechen kann, um
gespeicherte Texte abzurufen oder eigene Texte zu hinterlassen.

Unter "Presse" kann man ein Mailboxsystem u. a. deshalb nicht
einordnen, weil sie nicht drucktechnisch hergestellt wird. Zum Begriff
"Massenmedium": Lokale Mailboxsysteme wenden sich i. A. nicht an "die
anonyme Masse", sondern an eine geschlossene Benutzergruppe, d. h. die
eingetragenen Anwender, sind also keine Massenmedien (Gast-Accounts
ausgenommen). Bei Mailboxnetzen/Newsnetzen ist die Gruppe der Benutzer
nicht mehr abzugrenzen, diese koennte man also durchaus als Massenmedium
bezeichnen.

Die moeglichen Delikte koennen zivilrechtlicher (Anspruch auf
Gegendarstellung, Widerruf, Schadenersatz etc.) oder strafrechtlicher
(Beleidigung, Verleumdung, Aufstachelung zum Rassenhass.....)  Art sein.

Zunaechst die zivilrechtlichen Ansprueche:
- Gegendarstellung: Muss unabhaengig vom Wahrheitsgehalt (mit gleicher
  Publizitaet etc.) veroeffentlicht werden. Nur ist bei Mailboxen der
  Betreiber (als Verbreiter) nicht haftbar zu machen, da er i. d. R. an
  den Texten nicht redaktionell mitarbeitet. Er sollte aber trotzdem dem
  Betroffenen die Gelegenheit zur Veroeffentlichung einer Gegendarstellung
  geben, ein solcher Anspruch besteht aber nicht.
- Unterlassung: Der Stoerer (der Rechte des Betroffenen) muss sich
  verpflichten, eine (beweisbar) falsche Behauptung nicht (wieder) zu
  veroeffentlichen. Der Mailboxbetreiber kann nur in Anspruch genommen
  werden, wenn er die Beeintraechtigung des Betroffenen erkennt/ erkennen
  kann (i. d. R. nur auf Hinweis der Fall), sonst ist es nur derjenige,
  der die Nachricht "gepostet" hat. (Anmerkung: Es kann sein, dass der
  Betreiber irgendwann verpflichtet wird, die Identifikation der Benutzer
  sicherzustellen.)
- Widerruf/ Richtigstellung: Kann nur vom Stoerer verlangt werden, was
  i. d. R. nicht der Mailboxbetreiber ist.
- Schadenerstatz:  (Bei Rufschaedigung etc.) Auch hier ist nur der
  Stoerer verantwortlich, nicht aber der Betreiber, da er die Stoerung
  nicht verschuldet (kann nicht alle Texte lesen).

Die Mailbox ist also (noch) nicht vom Presserecht erfasst, geniesst
dadurch aber auch keinen Presserechtlichen Schutz. (Z. B. *muessen*
Namen von Benutzern, falls bekannt, ggf. preisgegeben werden.)
Der Betreiber ist nur haftbar, "wenn er es haette wissen muessen". Bei
Texten ist das i.d.R. nicht der Fall. (Wie das bei Programmen aussieht
(copy...) ist noch nicht bekannt.)


Und die Strafrechtlichen Delikte:
Beleidigung, Verleumdung, ueble Nachrede, ueble Nachrede und Verleumdung
gegen Personen des oeffentlichen Lebens, Verunglimpfung des Angedenkens
Verstorbener, Bildung krimineller Vereinigungen (hier das Werben
dafuer), Bildung terroristischer Vereinigungen (entspr.),
Volksverhetzung, Gewaltdarstellung, Aufstachelung zum Rassenhass,
Belohnung und Billigung von Straftaten, Beschimpfung von Bekenntnissen,
Religionsgemeinschaften und Weltanschauungsvereinigungen,Aufstachelung
zum Angriffskrieg, Verbreitung pornographischer Schriften.
Fuer letzteres z. B. ist der Sysop i.d.R. haftbar, jedenfalls wenn ein
Sex-Brett, eine entsprechende newsgroup ("alt.sex") in seiner Box
existiert. Wird hier die Datenmenge zur Kontrolle zu gross, muss das
Brett eben abgeschafft werden. Entsprechendes gilt fuer andere
riskotraechtige Bretter.

Naeheres zu diesem Thema ist in o. A. Gutachten von Tanja zu finden.

Ingo, 90/12/27, 20:53.
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