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Ist "Informatiker" ein angesehener Beruf ?


Wer eine bestimmte Erwerbstaetigkeit ausuebt, setzt damit Zeichen fuer
sein Umfeld, markiert eine persoenliche Schaetzwert-Vorgabe fuer
unterschiedliche Meinungen. Das gilt insbesonders fuer Akademiker zwischen
dem hoechsten gesellschaftlichen Status (Professor Brinkmann von
der Schwarzwaldklinik) und der verdaechtigsten Erscheinungsform am unteren
Ende (Sozialkunde-Lehrer an einer alternativen Gesamtschule).

Das Berufsimage praegt Verhaltensnormen: Paedagogik- und Jurastudenten,
selbst wenn sie zahlungskraeftig sind, erwecken bei universitaetsnahen
Wohnungsvermietern gelegentlich Misstrauen. Man fuerchtet Ungemach bei
eventuellen Streitigkeiten, weil die Kandidaten brotloser Kuenste ihre
geringen Karriereaussichten bisweilen durch formale Spitzfindigkeiten
kompensieren, was die gesunde Ausbeutung der Standortabhaengigen
erschwert.

In den USA - also demnaechst auch in diesem unserem Lande - setzt ein
grosses Geldinstitut, wie das TIME-Magazin kuertzlich meldete, neue
Massstaebe fuer eine realistische Fakultaetsbewerbung: Wer sich als
Immatrikulierter der kalifornischen Berkley-Universitaet um eine
Kreditkarte bewarb, musste auf Ablehnung gefasst sein, wenn seine
Pruefungsfaecher im Gebiet der Geisteswissenschaften liegen, die in
Amerika "hummanities" genannt werden. Human-Faecher, das ist klar, sind
nicht lombardfaehig. Immerhin: die Kreditkartengeber zeigten sich
streckenweise grosszuegig, denn sobald ein (vorgewarnter)
Berkley-Humanist im Antragformular ad hoc zum "Betriebswirt" oder
"Elektro-Ingenieur" promovierte, erhielt er seinen finanziellen
Plastikausweis. (Inzwischen hat die Bank aufgrund massiver Proteste die
Diskreditierung revidiert).

Der Vorfall gibt zu denken. Ein EDV-Fachmann wird sich fragen, wie das
sozialoekonomische Umfeld wohl auf seinen Beruf reagiert : Gilt er als
kreditwuerdig ? Vermittelt er Prestige ?
Zweifellos ja, denn Computerjobs sind, wie man hoert, reichlich
vorhanden und gut dotiert.
Bloss bei der privaten Akzeptanz mag es Schwierigkeiten geben.
Passionierte Juenger von Chip und Bit verschrecken bekanntlich die Party-
Gaeste, weil sie jedes anregende Gespraechsthema innerhalb von 30
Sekunden auf eine UNIX-Diskussion umstellen koennen - wenn sie wollen
(und sie wollen meistens).

Auch darf man Informatiker nicht zum geselligen Kartenspiel animieren, da
sie sich alle Stiche genau merken und jedem Skat- oder Bridge-Partner mit
logisch-lehrhaften Kommentaren ueber den (vermasselten) Spielverlauf
graesslich auf den Geist gehen. Zu Urlaubs-Rundfahrten sollte man sie
keinesfalls einladen: Sie neigen stark zur Wege-Optimierung, verabscheuen
den spontanen Zielwechsel, ruehren sich ohne einen durchgecheckten,
parametrierbaren Tourenplan kaum von der Stelle.

Analoge Neurosen zeigen eingefleischte DV-Experten sogar innerhalb
sogenannter Beziehungskisten, was mit einem fehlentwickelten
Verdraengungsmechanismus zusammenhaengt. So kommt es immer wieder vor,
dass Computer-Freaks ihre zwanghafte Organisationswut bis in den Intim-
bereich hineintragen und ein Liebesspiel zum Ablaufdiagramm
algorithmieren moechten. Nicht zufaellig machen sich einige Verfasser
von Programmierlehrbuechern (fuer Anfaenger) den Spass, das Prinzip
des "Flow Charts" oder der Problemanalyse am beispiel erotischer
Verfuehrungstechniken zu demonstrieren.

Die sexualpsychologischen Berufsrisiken des Informatikers wiegen indes
gering, angesichts der Gefahr akuter Entfremdung in der Familie oder
Partnerschaft, die der Spezialist wegen steigender Messefrequenz
zunehmend vernachlaessigen muss.

Vorwiegend betroffen von der permanenten Deportation zu EDV-Ausstellungen
- Motto : Dabeisein ist alles - sind die Angestellten von Computer-
unternehmen, System-und Software-Haeusern sowie Vertriebsfirmen.
Schlimme Privatkonflikte stehen hier noch ins Haus, zumal nicht nur die
Pessimisten des deutschen Veranstaltungswunders mit fortgesetzter
Zellteilung in Hannover oder Muenchenrechnen, wo sich aus jeder Ce-BIT
mindestens drei zusaetzliche CAD-, CAM- und CIM-Bits klonen lassen,
von SYS und TEC ganz zu schweigen.

							Fly
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