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Mein niedliches Protokoll MNP


Lange  Jahre  jagte alles immer moderneren Modems  hinterher.  Es
galt  der  Grundsatz:  Schneller,  billiger,  postunzugelassener.
Alles  sah  auf  immer bessere Hardware  und  bessere  Leitungen.
Keiner kam lange Zeit auf die Idee,  die Loesung mancher Probleme
in der Software - genauer - in der Firmware der Modems zu suchen.

In den letzten Jahren hat sich das geaendert. MNP, Multi-Carrier,
PEP,  LAP-M, V.32, V.42bis, etc sind die neuen Schlagworte in der
Modemtechnik.
Aber was heisst das wirklich ? Wie funktioniert das und wo liegen
die Vor- aber auch die Nachteile.  Mit froher  Hoffnung  will ich
versuchen ein wenig Klarheit in diese Welt zu bekommen.

Wie alles begann ...

1981  hat  der  damals  17 jaehrige Schueler  James  M.  Dow  den
Basiscode fuer MNP in seiner Freizeit entwickelt. Heute leitet er
die Firma Microcom. Die  Ueberlegung war  einfach: Die  Leitungen
sind schlecht.  Daher werden bei der Uebertragung  haeufig Hilfs-
mittel wie  X-Modem, Kermit, etc  verwendet. Ausserdem  waren die
Geschwindigkeiten  gering. Also ein weiterer  Grund fuer den Ein-
satz von Packprogrammen wie Arc, Lzh, Compress, etc.

Aber  z.B.  die Protokolle brauchten einige Zeit und senkten  den
Durchsatz  doch gewaltig.  Auf der  anderen Seite  konnte  mensch
diese Hilfsmittel nur einsetzen,  wenn es darum ging  festgelegte
Daten  zu  uebertragen.  Im Dialogbetrieb waren diese Hilfsmittel
praktisch  nicht verwendbar. Also  mensch  verlasse die Software-
ebene  und packe genau diese Features in  die  Uebertragungsebene
und damit ins Modem.
Das  ganze  strukturierte  mensch noch ein wenig  und  das  ganze
Ergebnis wird Microcom Network Protocol - kurz MNP - genannt. MNP
setzt auf die 1. und 2. Schicht des ISO/OSI-Modems auf. Das  sind
die physikalische und Datenuebertragungsebene.

Microcom hat eine gute Lizenzvergabe betrieben.  Dadurch benutzen
derzeit  auch Tymnet und Telenet das MNP-Verfahren. Das  Ergebnis
ist  das  sich  MNP zum quasi Standard  gemausert  hat.  Wenn  es
irgendwo  ein  Quasi-Standard gibt, dann kann mensch  schon  fast
sicher  sein,  dass die Standardkommissionen ein anderen Standard
bestimmen werden. In diesem Fall hat die CCITT den Standard  V.32
auserkoren,  der  vielleicht  von  Modems  wie  Trailblazer,  etc
bekannt ist.  Allerdings geht die CCITT nicht  so rigoros vor. Im
neuen   Standard   V.42  sind  die  MNP-Klassen  1-4   enthalten.
Allerdings  wird hauptsaechlich das  LAP-M  unterstuetzt.  Dieses
Verfahren  wird von Datex-P und ISDN in aehnlicher Form ebenfalls
verwendet. Modems  nach  V.42  sollen  LAP-M und MNP beherrschen.
Untereinander  soll aber die Verbindung  auf LAP-M verstaendigen.
Die CCITT-Norm erarbeitet gerade eine Erweiterung namens V.42bis.
Diese  soll dann  auch Kompressionsverfahren  verwenden  koennen.
Allerdings nicht nach den MNP-Klassen5-7,  sondern nach dem  Ziv-
Lempel-Verfahren.

Eine  Verbindung  zweier  Modems,  die  MNP   beherrschen  laeuft
folgendermassen ab: Das rufende Modem sendet einen Link  Request.
Dieser  LR  ist  ein Block indem die  Parametermoeglichkeiten des
rufenden   Modems  stehen. In diesem Block sind enthalten:
L - Laenge eines Datenblocks
T - Typ des Blocks
P - festtehende Paramter (Seriennummer)
SC- Sercive Class
     1: halbduplex, asynchron, byteorientiert
     2: vollduplex, asynchron, byteorientiert
     3: vollduplex, sychron, bitorientiert
CA- Anzahl der sendbaren Datenbloecke ohne dass ein ACK noetig ist.
DS- Groesse der Zeichen in einem Block
TO- Uebertragungsoptimierung des Protokoll-Overhead

Das antwortende Modem vergleicht die Parametermoeglichkeiten  mit
den eigenen und handelt die groesste  MNP-Klasse aus. Dieses wird
in einem Link Response zurueckgesendet.
Falls das  antwortende Modem  kein Link Request bekommt, bzw. das
rufende  Modem  kein Link Response empfaengt, ist eins der beiden
Modems  kein MNP-Modem und es wird eine normale Verbindung aufge-
baut.

Was heisst MNP-Klassen ?

MNP  wird in verschiedenen Klassen unterteilt.  Jede Klasse  muss
die  Anforderungen  der  vorherigen  ebenfalls  beherrschen.  Das
bedeutet, dass  ein Modem mit MNP-5-Faehigkeit,  ebenfalls MNP1-4
beherrscht. Die bisher bekannten MNP-Klassen sind:

MNP1 - Diese Klasse  verwendet  ein  byteorientiertes  asychrones
Halbduplex-Verfahren.   In    dieser   Klasse  wird   "nur"   ein
Fehlerkorrekturverfahren  angewandt.   Der  effektive   Durchsatz
betraegt 70%.  Modems die nur MNP1 koennen, sind aber selten. Bei
diesem Verfahren werden fuer jedes Byte 10 Bits uebertragen.

MNP2 - Das Verfahren  ist dem MNP1-Verfahren aehnlich, nur  statt
halbduplex laeuft  das  Verfahren vollduplex  ab.  Der  effektive
Durchsatz betraeg 84%.

MNP3 - Diese  Klasse  verwendetet ein bitorientiertes Vollduplex-
Verfahren. Bei diesem  sychronen  Verfahren ist ein Byte nur noch
8  Bit gross.  Allerdings laeuft die Verbindung zwischen  Rechner
und  Modem weiterhin asychron ab, so dass bei der Berechnung  der
effektiven  bps-Rate  weiter ein Byte mit 10 Bit berechnet werden
muss. Der Durchsatz dieser Klasse betraegt 108%.

MNP4 - Bei  diesem  Verfahren  passt  sich   das  Protokoll   der
Leitungsqualitaet an.  Falls die Leitung fehlerfrei ist, wird die
Paketlaenge vergroessert.  Wenn nicht,  wird sie verkleinert. Die
normale  Paketgroesse  betraegt 256 Bits.  Der  Durchsatz  dieses
Verfahrens betraegt 120%.

MNP5 - In dieer Klasse wird ein  explizites Kompressionsverfahren
verwendet,  um  die  effektive  Bps-Rate  zu  erhoehen.  Je  nach
Datenart  (Text,  Binaries,  etc)  werden  die  Daten  natuerlich
verschieden gut gepackt.  Der effektive Durchsatz steigt bei MNP5
auf  200%.   Natuerlich  gilt  dies  nicht  fuer  schon  gepackte
Dateien  (mit ARC oder LZH).  Diese  koennen verstaendlicherweise
selten noch besser gepackt werden.

MNP6 - Bei  MNP6 wird die erste Verbindung mit einer  langsameren
Modulationsart  (V.22bis) begonnen.  Im Laufe des Betriebes  wird
sich auf bessere Arten (z.B. V.32) geeinigt.

MNP7 - Class  7 fuehrt  ein  neues  Komprimierungsverfahren  ein.
Der  damit  erreichbare Durchsatz  betraegt 300%.  Also ein  2400
Bps-Modem kann mit diesem Verfahren ca. 7200 BPs erreichen.

MNP8 - Aus unverstaendlchen Gruenden gibt es diese Klasse nicht.

MNP9 - In  dieser  Klasse  wird   das  Kompressionsverfahren  mit
Eigenschaften  des  V.32  kombiniert.   Der  effektive  Durchsatz
betraegt auch hier 300%.

MNP10 - Ueber dieser  Verfahren ist nicht viel bekannt,  nur  das
es angeblich einen Durchsatz von 500% erreichen soll.  Allerdings
wuerde dies ja bedeuten, dass es einen Packalgorithmus  gibt, der
Daten durchscnnittlich  auf 1/5 zusammenpackt.  Ist jemandem  ein
solcher schon einmal untergekommen ?


Was bringt MNP ?

MNP-Modems  werden  meistens   dort  eingesetzt,  wo  sie  nichts
bringen:  naemlich  im Netzwerkbetrieb.  Das Problem,  welches im
Netzwerkbetrieb auftritt ist relativ einfach.  In diesem  Betrieb
geschieht  der  Datenaustausch ueber Protokoll wie  Z-Modem  oder
UUCP.  Die Modems koennen die Daten nur in eine  Richtung senden.
Bei  Protokollen wie Kermit und UUCP wechseln sich aber sendender
Block und ACK ab. Jede Traegerumschaltung braucht aber seine Zeit
(zwischen  0.25 und 1,5 Sekunden).  Dadurch sinkt die  eff.  Bps-
Leistung gewaltig. Das ist uebrigens auch der Grund  dafuer, dass
Modems wie Trailblazer eingebaute Protokolle wie UUCP,  X- und Z-
Protokoll haben. Die Verbindung Rechner-Modem laeuft dann zb. auf
UUCP-Basis ab. Die Verbindung zwischen den Modems laeuft dann auf
reiner  MNP-Basis ab.  Bei  Modems  wie Best  2400 MNP  oder  dem
Longshine  bringt es dem  Benutzer etwas, wenn er im Dialog nicht
durch Uebertragungsfehler und geringen  Bps-Raten gestoert werden
will, wenn er in Mailboxen gearbeitet.

Ein anderes Problem sind die sogennanten "Software-Loesungen" die
z.B.  in  neuen  Terminal-Programmen  eingearbeitet  sind.  Diese
koennen niemals die Hardwareloesungen erreichen. Solche Loesungen
erreichen max.  ca.  3000 Bps im Durchsatz. Allerdings wird durch
Tricks  angegeben,  dass  sie 4800 Bps erreichen.  Bis heute  ist
keine Software aufgetaucht, die wirklich so hohe Werte auf reiner
Softwarebasis  erreicht.  Bei der Berechnung von effektiven  Bps-
Raten sollte mensch uebrigens immer dran denken,  dass mensch auf
der Basis von 10Bits/Byte rechnet.  Ausserdem sollte jede Art der
Bufferung  von  Terminalprogrammen,   RS232  Schnittstellen,  etc
abgezogen werden,  da diese ebenfalls die Berechnung verfaelschen
koennen.

Die  Preise von 2400/MNP5 Modems sinken rapide.  Inzwischen  sind
sie  fuer  unter 400 DM zu bekommen.  Noch vor einem halben  Jahr
bekam mensch fuer solche Preise gerade normale 2400 Bps Modems.
Also spricht  einiges fuer den  Normalbenutzer, sich solche  2400
MNP5 Modems zu kaufen. Rechnerbetreiber im Netz sollten lieber auf
V.32 Modems sparen.

Quelle: c't, Heft 11 1988
	Product Infos Microcom, Mike Focke
	Chip Heft 11, Nov 1989

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