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Der alte Mann und das -MEHR ?-


Seit etwa sechs Jahren gibt es nun Mailboxen auch in diesem unseren Lande. 
Zwischenzeitlich sind Millionen von immer besseren und immer 
leistungsfaehigeren Computern verkauft werden, das Modem verdraengt allmaehlich 
den Akustikkoppler, alles wird schneller, groesser. Nur besser wird es nicht. 

Sieht man genau hin, hat sich in der Mailboxlandschaft seit 1984 nicht sehr 
viel bewegt. Gewiss, seit geraumer Zeit gibt es vernetzte Systeme, man kann 
heute durchaus eine Nachricht innerhalb von fuenf, sechs Tagen von einer 
Hamburger Box in die andere senden, wenn man einen Umweg ueber Wuppertal und 
andere Staedte fuer vertretbar haelt. Gewiss, es gibt Systeme, die halten -zig 
Megabyte an Daten fuer ihre Benutzer abrufbereit, hunderte von Programmen zum 
Herunterziehen, sowie all die netten kleinen Texte, die besagen: Ich war auch 
hier. Gewiss, es gibt inzwischen auch Systeme mit inhaltlichen Schwerpunkten, 
meist im Bereich linker und/oder alternativer und/oder umweltpolitischer 
Themen, deren groesste Freude es ist, darueber zu debattieren, innerhalb welchen
Netzwerkes man sich angemessen verbreiten kann. Und das soll es dann schon 
gewesen sein ? Hier tut offenbar eine kritische Bestandsaufnahme not (Sie ,
lieber Leser, sind selbstverstaendlich in den folgenden Zeile nicht gemeint, 
egal ob Sie nun User sind oder Sysop, Point, Terminal oder Node, Einzelperson 
oder Gruppe. Es sind immer nur die Anderen, die gemeint sind. Aber das sehen 
Sie ja ohnehin genauso).

Beginnen wir auf der untersten Ebene, bei den Benutzern. Benutzer sind 
grundsaetzlich dumm, viele dazu noch dreist. Sie kommen aus den 
unterschiedlichsten Gruenden zur Mailbox, weil sie in einer selbsternannten 
Fachzeitschrift darueber gelesen haben, weil Hans-Bernhardt um die Ecke das 
auch geil findet, weil sie keinen Bock mehr auf noch zehn weitere 
Ballerspiele haben, weil der Computer sonst verstaubt, weil sie mal gehoert 
haben, dass Hacker sowas auch machen und und und...
All diese User treffen dann bei ihren ersten Gehversuchen auf die zweite 
Gruppe, die Boxbetreiber oder Sysops. Sysops unterscheiden sich von den Usern 
dadurch, dass sie grundsaetzlich dreist sind, viele dazu noch dumm. Die meisten 
Sysops sind nicht in der Lage, ihr Mailboxprogramm selbst zu schreiben, 
geschweige denn, zu verstehen, wie es funktioniert. Sie kommen zur Mailbox, 
weil sie sich ueber die anderen Boxen geaergert haben, weil sie sich ueber die 
anderen User geaergert haben, und so weiter...
Die Sysops treffen bei ihren Versuchen, eine eigene Mailbox zu eroeffnen, auf 
eine weitere Gruppe, die Mailboxautoren. Mailboxautoren sind grundsaetzlich 
dummdreist, viele dazu noch geldgierig. Sie kommen zum Programmieren, weil 
sie sich ueber die anderen Mailboxprogramme geaergert haben, weil sie sich ueber
andere Sysops geaergert haben, etc. etc etc. ...
Mailboxautoren treffen frueher oder spaeter auf Netzwerker. Netzwerker sind 
dummdreist und geldgierig, viel dazu noch groessenwahnsinnig. Sie kommen zum 
Netzwerk, weil sie sich ueber die bestehenden Netze geaergert haben, weil sie 
sich ueber lange Laufzeiten geaergert haben, weil sie sich ueber irrsinnige 
Routwege geaergert haben ...

Fairerweise sei dazu gesagt, dass die Grenzen zwischen den Gruppen
mittlerweile fliessend geworden sind. Im Zerberus-Netz gibt es beispielsweise 
User, die mehr dreist als dumm sind, das sind die Terminals. Und es gibt 
ueberall in den Netzen Sysops, die mehr dumm sind als dreist, ja sogar 
etliche, die nur dumm sind.

Eine hochinteressante Erscheinung in den vom Zeitgeist heimgesuchten Boxen 
ist das inzwischen -Dank entsprechender Beispiele innerhalb gewisser Clubs- 
in Mode gekommene Ausgrenzspiel. Da streiten die User untereinander darueber, 
wer von ihnen nicht ins System passt, die Sysops streiten darueber, welche 
Bretter nicht in die Boxen passen und ueber die User, die Netzwerke streiten 
darueber, welche Boxen nicht in die Netzwerke passen, welche Netze nicht 
angeschlossen werden sollen und ueber Bretter und ueber User. Kaum haben die 
Netze begonnen, sich zu formen, werden sie durch dieses ewige Ausgrenzerei 
mit Laufmaschen versehen, was angesichts der wirren Strukturen toedlich sein 
muss.
Woran liegt's ? Ein Grund, so merkwuerdig das auch angesichts der Gigabytes an 
Daten auf den Netzen scheint, ist mangelnde Information. Wobei deutlich 
darauf hingewiesen sei, dass falsche Information genauso mangelhaft ist, wie 
fehlende, ja, schlimmer als diese. Da werden von allen Seiten Erwartungen 
geweckt, die dann nicht oder nur unvollstaendig erfuellt werden. Jedes Jahr im 
Fruehjahr, also vor der entscheidenden Messe in Hannover, finden sich in den 
Fachzeitschriften sogenannte Schwerpunktbeitraege zum Thema 
Datenfernuebertragung, die von den Nicht-Usern gierig verschlungen werden, von 
den Usern mit einem Stirnrunzeln bedacht werden, von den Sysops mit einem 
Laecheln und von den Netzwerkern mit einem Kopfschuetteln. Natuerlich sollen 
diese Artikel, dafuer sind Fachzeitschriften ja da, in erster Linie den Kreis 
potentieller Kaeufer vergroessern. Dagegen ist nichts einzuwenden, Geschaeft ist
Geschaeft. Nur darf man sich dann nicht wundern, geschweige denn aufregen, 
wenn die frischgebackenen User in Scharen ueber die Mailboxen herfallen und 
dort Bloedsinn verzapfen, weil sie noch nicht mit dem Medium umgehen koennen, 
oder weil sie veraergert sind, wenn ihre Erwartungen nicht erfuellt wurden. 
Diese Leute dann aus dem Kreis der User auszugrenzen, ist sicherlich der 
bequemste Weg. Unbequemer, aber sinnvoller, ist es, die User anhand 
einleuchtender Beispiele vorsichtig zu fuehren und ihnen eine Chance zum 
Begreifen zu geben. Begreifen kann man Computer und was damit zusammenhaengt 
aber nun einmal am Besten, wenn man das woertlich nimmt und begreift, 
Fehler zu machen, auch wenn dann Datenmuell entsteht, sinnlose Texte ueber die
Netze schwirren oder Texte am falschen Ort landen. Ganz ohne diesen Muell geht 
es nicht, ja es muss sogar darauf geachtet werden, dass der Muell nicht ganz 
verschwindet, denn dann bliebe nur eine sterile Wueste der Seriositaet. Eine 
Mailbox, die in ihrem Kern gesund ist, verkraftet so etwas sehr gut.
Womit wir bei den Mailboxen waeren. Das ist eine Medaille mit mindestens zwei 
Kehrseiten. Die meisten Sysops kommen zu ihrem Mailboxprogramm, wie 
Kuhscheisse aufs Dach: Keiner weiss so recht, wie und warum. Irgendwann wird 
der Entschluss gefasst, eine Mailbox zu eroeffnen und da man selber nicht 
programmieren kann, oder nicht weiss, wie man eine Mailbox programmiert, 
sucht man nach einem fertigen Programm. Damit ist man dann auf Gedeih und 
Verderb an die vorgelieferten Strukturen gebunden. Und diese sind 
erschreckend unklar.  Da gibt es mindestens drei verschiedene Systeme, 
Aehnlich wie bei den Videorecordern, das eine arbeitet mit Zahlen, das andere 
mit Mnemonics, das dritte mit Klartextbefehlen. Eigentlich sollte man 
annehmen, dass dieses am einfachsten bedienbar waere, aber interessanterweise 
tun sich die User damit zumindest Anfangs am schwersten. Warum das so ist, 
kann man ahnen, wenn man sieht, dass diese Gruppe Boxen sich frueher 
GeoNet-Kompatibel nannte, nach dem Beispiel der kommerziellen GeoNet-Systeme, 
bei denen das Befehlssystem abgeguckt war. Mittlerweile ist nur noch von 
Geo-Aehnlichkeit die Rede. Das liegt daran, dass jeder Mailboxautor seinen 
eigenen Dialekt hinzufuegt, aber dazu kommen wir spaeter. Der User kann sich 
also selbst innerhalb eines Typs von Mailboxprogramm nicht darauf verlassen, 
mit gleichen Eingaben gleiche Ergebnisse zu erzielen. Diese babylonische 
Verwirrung steigert sich spaeter auf der Netzebene noch dadurch, dass jedes 
Netz seine eigene Art der Empfaengeradressierung hat. Das geht dann bis zu 
einem Punkt, an dem klartextgesteuerten Boxen auf einmal Zahlenadresse a la 
BTX aufgezwungen werden. Und der User, der da verstaendlicherweise nicht mehr 
durchsteigt, wird als Dummuser abgekanzelt. Die Netze entstehen in den 
Wirrkoepfen.

Fuer den Sysop ist es mit dem Kauf/der Beschaffung des Programms allerdings 
nicht getan. Auch wenn sich in letzter Zeit immer mehr die gegenteilige 
Ansicht durchsetzt: Eine Mailbox zu betreiben ist arbeitsintensiv. Man kann 
sie nicht einfach vorsichhinbrabbeln lassen, sondern muss sich um das System 
kuemmern. Bretter und User wollen betreut werden, wer das versaeumt, darf sich
ueber ein Zuviel an Muell nicht beklagen. Aber es ist natuerlich einfacher, auf 
die User zu schimpfen, als etwas zu aendern. Auf diese Weise entstehen dann 
die Boxen, die von den anderen Systemen belaechelt und/oder beschimpft werden.

Womit wir bei den Netzen waeren (keine Angst, die Mailboxautoren wurden nur 
aufgeschoben, nicht aufgehoben). Da gibt es Fido-, Magic-, Maus-, PC-, 
Zerberus-, BTX- und sonstige Netze. Nicht nur das jedes dieser Netze eine 
eigene Struktur fuer die Uebertragung der Nachrichten hat, nein, jedes Netz 
muss auch noch eine eigene Form der Adressierung haben. Um von einem Netz ins 
andere zu kommen, muessen muehsam die Formate gewandelt werden, Routen 
ausgerechnet und optimiert werden. Bei jedem Netzuebergang das gleiche Spiel 
und innerhalb der jeweiligen Netze wieder das Gleiche. Dazu kommen 
Animositaeten zwischen den einzelnen Netzen, sogar zwischen den einzelnen 
Boxen eines Netzes. Die einen sind zu links, die anderen zu rechts, die einen 
zu serioes, die anderen zu unserioes, wieder andere zu zu. Und jeder haelt 
seinen Weg fuer den richtigen und versucht, die anderen in diesem Sinne zu 
beeinflussen, wo das nicht klappt, wird halt gemeckert und geschimpft. Nur 
geaendert wird nichts.

(Anm. der Redaktion: Geschichtlich gab es zwei Ansaetze der Vernetzung. Die
 Vernetzung von Mailboxen (Bsp: Zerberus oder MagicNet) und die schon be-
 stehenden Netze wie UUCP die einfach fuer den Normalbenutzer attraktiv   
 durch guenstige Unix-Anlagen und UUCP-Derivate fuer PC, ST und Amiga. 
 Die letzteren verwenden innternational gueltige Adressierungsformen wie
 z.B. in der Domain- oder ISO-Domainn-Schreibweise, die Mailboxen verwenden
 das was in gerade in die Finger viel. Praktischerweis sollte die Mailbox-
 netze mit ihren insgesamt vielleicht 200 Maschinen sich an die Adressierung
 der "grossen" Netze mit ueber 100.000 Rechner anpassen. Verweiss auf
 BSMTP, RFC822, RFC987, etc). 
 
Dabei gibt es durchaus Leute, die zumindest an den technischen Gegebenheiten 
etwas aendern koennten (Jetzt kommen wir zu den Mailboxautoren). Doch daran 
scheint niemand ein Interesse zu haben. Wer ein neues Mailboxprogramm 
schreibt, oder ein vorhandenes neufasst, tut das auf eigene Faust, ohne sich 
um die vorhandenen Strukturen zu kuemmern. Nach mir die Bitflut. Wenn das 
Produkt halbwegs fertig ist, also die Absturzhaeufigkeit auf drei Ereignisse 
pro Woche gesunken ist, wird das Produkt in Umlauf gebracht, koste es was es 
wolle. Die Sysops werden sich schon damit zusammenraufen, dass sie viel zu 
viel Zeit mit den technischen Problemen verbringen muessen, statt sich um die 
Betreuung der User und der Inhalte zu kuemmern, ist unwichtig. Noch schlimmer 
wird es bei den netzwerkfaehigen Programmen. Wenn das Programm noch neu ist 
und nur zwei oder drei andere Systeme am Entwicklungssystem des Autors 
haengen, ist die Welt noch in Ordnung. Sobald weitere Systeme dazukommen, 
faengt das Netz an, wild zu wuchern, niemand kuemmert sich darum. So entstehen 
dann solche kleinen Katastrophen wie im Z-Netz, in dem Nachrichten zwischen 
zwei Hamburger Boxen ueber Wuppertal und Moers geroutet werden, koste es, was 
es wolle.

Es ist zwar eigentlich nicht der Stil dieser Zeitschrift (Der Kluengel, Anm. 
der Redaktion), Kritik auch konstruktiv zu fassen, trotzdem sei der Versuch
gemacht, einige Vorschlaege zu machen, wie es denn besser zu machen waere. 
Dabei wird allerdings Unmoegliches von allen Betroffenen verlangt, was wiederum
den Herausgeber zu einem befriedigten Grinsen veranlasst. 
Die Situtation koennte nachhaltig verbessert werden, wenn es mehr Leute gaebe, 
die Ahnung davon haben, wie ein Mailboxprogramm wirklich arbeitet. Krass 
gesagt, wer nicht selber programmieren kann, duerfte nicht Sysop werden. Zu 
diesem Thema hat ein bekannter notorischer Notpressereferent einmal 
behauptet, man muesse schliesslich auch nicht die Zusammensetzung der diversen 
Lackschichten eines Autos kennen, um es fahren zu koennen. Recht hat er, nur 
muss man halt erst mal das Autofahren selbst lernen, und ohne einige 
Grundkenntnisse der technischen Funktionen geht das nunmal nicht. Diese 
Forderung bedingt eine weitere: Die Unsitte, Mailboxprogramme nur als 
ausfuehrbares Programm auszuliefern, muss verschwinden. Der Quelltext gehoert 
dazu, schon aus dem einfach ersichtlichen Grund, dass es jedem Sysop moeglich 
sein sollte, alle Systemausgaben nach seinem Geschmack zu aendern, ohne muehsam 
mit dem Debugger im Programm herumzupatchen. Patchen ist immer eine 
Notloesung, die leicht ins Auge geht. An dieser Stelle wird gewoehnlich 
Gemurmel und Protest von Seiten der Programmierer laut, da ist von geistigem 
Eigentum die Rede, von Sicherheitsbedenken, von Marktverschmutzung. Unsinn. 
Die Forderungen lauten: Ein Mailboxprogramm, das so schlampig programmiert 
ist, dass man nicht einmal oeffentlich ueber vorhandene Fehler reden kann, ohne 
zu riskieren, dass kreative User reihenweise Boxen stillegen, darf nicht 
verbreitet werden (Zerberus zum Beispiel). DIe Autoren sollten sich auch 
entscheiden, was sie wollen: Entweder, sie schreiben ein allgemein 
zugaengliches Programm, um die offene Kommunikation zu foerdern, oder sie 
schreiben es, um damit reich zu werden (was noch keiner geschafft hat). 
Beides geht nicht, ausserdem sind die meisten Programme derart schlecht 
geschrieben, dass man sie ohnehin nicht guten Gewissens verkaufen koennte. Die 
naechste Forderung ist, dass man ein Mailboxprogramm nicht einfach weitergibt 
und den neuen Sysop damit alleine laesst und waere das Handbuch auch noch so 
gut. Sicher, am besten lernt man aus eigenen Fehlern, aber es ist nun 
wirklich unnaetig, dass jeder aufs Neue ueber den Fehler in Zeile 4711 stolpert.
Betreuung der Neulinge ist also angesagt, wobei sich das natuerlich nicht nur 
auf die technische Seite beschraenken darf, auch die Kunst der Userbetreuung 
will gelernt sein.

Dann ist es allerhoechste Zeit (es waere schon vor Jahren faellig gewesen), dass
sich alle Mailboxautoren mal zusammensetzen und miteinander arbeiten, statt 
gegeneinander. Was derzeit fehlt, ist ein einheitliches Verfahren, 
Nachrichten auszutauschen. Es reicht halt nicht aus, mit dem X.400-Sticker 
von der CeBit rumzulaufen und darauf zu warten, dass etwas passiert. Dabei 
koennen die Ziele durchaus niedriger gesteckt werden, als es die 
Postverwaltungen bei X.400 tun. (Anm. der Redaktion: Ob X.400 wirklich die
Loesung des Problems ist, ist zweifelhaft, da der technische Aufwand gewaltig
ist. "Gaengige" Verfahren sollten aber einfach auch mal in betracht gezogen
werden und nicht mit dem Argument: "Wir machen alles, nur nicht nach vor-
handenen Strukturen" abgetan werden) Es muessen ja im Wesentlichen nur zwei 
Dinge 'genormt' werden: Erstens eine Festlegung, welches Format die Netz-
nachrichten und die jeweiligen Header haben muessen, zweitens muss ein Packver-
fahren entwickelt. angepasst oder uebernommen werden, das fuer alle Systeme (und
alle Rechnertypen) identisch ist. Wobei man Wert auf Einfachheit legen sollte. 
Die Angaben Absender,Empfaenger, Absendebox, Empfaengerbox, Absendenetz, 
Empfaengernetz, Betreff, eventuell eine globale NachrichtenID, mehr ist fuer 
einen Header nicht noetig. Routwege, Weiterleitungsvermerke und der ganze 
restliche Bloedsinn, auf den ausser den Sysops eh niemand Wert legt, koennen 
genausogut weggelassen, oder in den Nachrichtentext gepackt werden. Das 
Packverfahren sollte ohne Muehe in allen gaengigen Programmiersprachen 
umgesetzt werden koennen, das benutzte Uebertragungsprotokoll sollte variabel 
sein, um sich besser an die Gegebenheiten verschiedener Netze anpassen zu 
koennen. Was die einzelnen Netze und spaeter die einzelnen Boxen dann mit 
diesen Daten anfangen, ist Sache des Netzes und der Boxen.

Spaetestens dann, wenn so ein globales Nachrichtenformat realisiert ist, 
besser schon frueher, muessen sich dann alle Sysops zusammensetzen und eine 
Grundstruktur fuer das Netz errichten. Es reicht nicht aus, zu sagen, ich 
haenge meine Box an den Server XY, der ist fuer mich am billigsten, es ist auch 
zu pruefen, ob der Server YZ nicht geeigneter ist, weil dann die Netzstruktur 
klarer wird und andere Kosten sparen. Bislang arbeiten die Netze ja eher auf 
der Basis, dass die meisten Systeme ihre eigenen Kosten zu Lasten der Systeme 
optimieren, die -aus was fuer Gruenden auch immer- nicht so sehr auf die Mark 
sehen. Sicher wird man da Kompromisse eingehen muessen, aber zumindest sollte 
es sich vermeiden lassen, dass lokale System ueber den Fernbereich gehen 
muessen, um einander zu erreichen. Wobei - vorausgesetzt, das globale 
Datenformat ist vorhanden - es ja auch durchaus denkbar ist, dass eine 
Nachricht  von Z-Netz nach Z-Netz ueber Fido laeuft, weil das fuer diesen 
speziellen Fall guenstiger ist. Das setzt natuerlich voraus, dass sich die 
Struktur der Netze grundlegend aendert, denn das Routen der Nachrichten kann 
nur noch von den Servern erledigt werden und als Gateways kommen auch nur 
noch Server in Frage. Alle anderen Systeme liefern stur und unbeteiligt ihre 
globalen Daten ab und pollen ihren eigenen Kram. Damit waere auch die 
finanzielle Seite wesentlich einfach durchschau- und regulierbarer.

Nun nuetzt die ganze Technik, egal, wie sie funktioniert, ueberhaupt nichts, 
wenn es inhaltlich daneben geht. Das faengt bei den leidigen Diskussionen an, 
die innerhalb der Netze immer dann entstehen, wenn ein Brett eingerichtet 
oder aufgehoben werden soll. Die einen sind dafuer, dieses Brett zu errichten, 
andere wollen stattdessen noch zehn Unterbretter dazu, wieder andere halten 
das Brett sowieso fuer unnoetig. Und schon beginnen Diskussionen und 
Abstimmungen, die viel Zeit und Energie kosten, obwohl sie unnoetig sind. 
Mailboxen sind, auch wenn viele Sysops das anders sehen, in erster Linie fuer 
die User da. Also muessen die auch entscheiden, was sie lesen wollen. Das 
bedeutet: Es gibt keine ueberfluessigen Bretter, solange mindestens ein User 
sich dafuer interessiert. Das Konzept, dieses Problem in den Griff zu kriegen, 
koennte so aussehen, dass innerhalb des Netzes alle Bretter Unterbretter haben, 
deren Namen wie ueblich vereinbart werden. Systeme, deren User lieber alles in 
einem Brett haben wollen, pollen die Unterbretter und packen alles in ein 
Brett, Systeme, die das Brett gar nicht haben wollen, pollen es halt nicht. 
Das bedeutet, nicht der Server muss wissen, was die Boxen kriegen, sondern 
die Boxen fordern beim Pollen des Servers die entsprechenden Bretter ab. So 
entsteht lediglich fuer den Server die Verpflichtung, alle Bretter und 
Unterbretter zu fuehren, alle anderen Systeme sind frei in der Auswahl. 
Natuerlich wirft das neue Probleme beim Senden von Texten auf, die aber loesbar 
sind. Beispielsweise fuer eine Box, die vernnftigerweise nur ein 
Schwerpunktbrett Computer hat (das bei anderen Boxen und beim Server als 
Verzeichnis mit Unterbrettern gefuehrt wird): Der User gibt SENDEN COMPUTER 
ein und die Box fragt nach dem Bereich: ST C64 MSDOS ? und kriegt so die 
Information, fuer welches Unterbrett das Ganze gedacht ist.

Womit wir bei den Inhalten angelangt waeren. Zu Beginn der Mailboxentwicklung 
waren die Hauptthemen computerspezifisch. In juengerer Zeit finden allerdings 
auch andere Themen dankenswerterweise ihre Berechtigung. Es wird also Zeit, 
dass sich die Betreiber Gedanken darueber machen, wo ihre inhaltlichen 
Schwerpunkte liegen. Das liegt, wie schon gesagt, in erster Linie am 
Userinteresse. Hier gilt es, anhand einleuchtender Beispiele zu zeigen, dass
Mailboxen eben nicht nur eine Quelle fuer Software und CB-Rauschen sind, 
sondern dass mehr passiert, und noch mehr passieren kann, wenn man nur will. 
So gibt es mittlerweile etliche Gruppen, die ihre Texte auch auf die Netze 
blasen, die Gruenen und Greenpeace seien als Beispiele genannt. Wenn man sich 
allerdings ansieht, was da alles kommt und wie  es aufbereitet ist, fragt man 
sich, ob das so Sinn hat. Fast alle Texte dieser Gruppen sind lang (genau wie 
dieser Striemel hier, obwohl nicht von solchen Gruppen verfasst), so lang, 
dass meist die Konzentration fehlt, sie aufmerksam zu lesen. Gut, das ist 
ohnehin eine Eigenart dieser Gruppen, die in ihrem missionarischen Eifer fast 
immer zuviel des Guten tun. Verstaerkt wird dieser negative Effekt aber noch 
durch die medientypischen Eigenschaften der Box, die ueberlange Texte 
eigentlich nicht vertraegt. Die oft geuebte Methode, die Texte erst 
auszudrucken, und dann zu lesen, hilft auch nicht weiter, denn dann koennte 
man sich ja gleich die Pressemitteilungen schicken lassen. Ausserdem wird 
diese Methode angesichts der Informationsmengen in den Netzen schnell laestig, 
Texte, die man am Bildschirm innerhalb einer halben Stunde liest, brauchen 
nunmal noch laenger auf dem Drucker. Hier muss sich also noch viel tun, es 
muss fuer das Medium Mailbox eine geeignete Methode gefunden werden, 
Informationen artgerecht aufzubereiten. Das wird sich aber erst allmaehlich 
entwickeln koennen und haengt wesentlich von der Bereitschaft aller Beteiligten 
ab, etwas (gemeinsam) zu tun.

Quelle: Kluengel Ausgabe 0, Autor: Wie immer: Eine gute Frage

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