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Noch ein X auf dieser Welt


Was ist X.400?

X.400 ist eine Sammlung von Empfehlungen der CCITT, welche
zusammengefasst ein "Message handling system" (Nachrichtenverarbeitendes
System) beschreiben.

Es besteht in CCITT 1984 (red book) aus den Teilen:

X.400 : System model service elements
X.401 : Basic service Elements and optional user facilities
X.408 : Encoded information type conversion rules
X.409 : Presentation transfer syntax and notation (ASN.1)
X.410 : Remote operations and reliable transfer server
X.411 : Message transfer layer
X.420 : Interpersonal messaging user layer
X.430 : Access protocol for Teletex terminals

X.400 wird auch als sogenanntes "Store and Forward" (Speichere und leite
weiter) System bezeichnet (UUCP ist auch so ein Teil, Anm. der Red.).
Ein X.400 System empfaengt von einem Benutzer Adressen und Daten,
konvertiert diese wenn noetig in das X.400 eigene Format und leitet die
Nachricht(en) an den naechsten X.400 Knoten weiter. Dieser speichert sie
(Store) und leitet nach Pruefung der Adresse diese Nachricht(en) an den
naechsten Knoten oder an den Benutzer weiter (Forward).

Diese Nachrichten bestehen aus Kuvert (Header) und Inhalt (Body), der Inhalt
aus Kopf und Datenteil. Die Adressierung ist nun so ausgelegt, dass jeder
Benutzer weltweit eine eigene Adresse (wie bei der normalen Briefpost) haben
kann. Das heisst, dass alle Daten in einem Nachrichtenformat (FAX, Brief,
EDI) uebertragen werden.
Die Nachrichtenformate sind in X.400 von 1984 noch auf IA5 (7-bit
ASCII), IA2 (Telex) und T.61 (Teletex) Zeichensatz begrenzt. Adressen
sind immer im IA2 Format. Nun koennen jedoch zwei oder mehr Benutzer oder
Gruppen ein bestimmtes Nachrichtenformat definieren, in welchen Daten unter-
einander ausgetauscht werden koennen. Dies funktioniert jedoch nur zwischen
diesen Benutzern und nicht mit allen X.400 Teilnehmern. Diese Dienste koennen
auch in einem X.400 Knoten zentral angeboten werden (Konvertierung) und
somit allen Benutzern dieses Knotens zur Verfuegung gestellt werden.

In Zukunft werden alle Laender mit geeigneter Infrastruktur an dieses
weltweite X.400 Netz angeschlossen sein, und es wird vielen Millionen
Menschen moeglich sein damit auf elektronischem Weg miteinander zu
kommunizieren.

Im Moment wird dieses Netzwerk erst aufgebaut (grundsaetzlich ist X.400
natuerlich kein Netzwerk, sondern eine Empfehlung fuer den Aufbau eines
Netzes. Auf X.400 basierende Netze sind z.B. DFN und SWITCH (Anm. der Red.)),
daher sind erst wenige Laender, aber schon viele 1000 Benutzer erreichbar.

X.400 ist die erste Serie der OSI (Open Systems Interconnection)
Standards, welche von allen Standardisierungs- und Normierungsinstituten
weltweit akzeptiert wurde.

X.400 ist ein sehr komplexer Standard.
Aus diesem Grund dauert es sehr lange, bis bestimmte Elemente, welche
eigentlich jetzt schon benoetigt wuerden, in dieses Standardwerk
einfliessen koennen (z.B. FAX, EDIFACT, X.500).

Dies ist ausserdem der Grund dafuer, dass alle namhaften Institutionen
eigene "Functional Standards", das sind Beschreibungen, welche Funktionen
von X.400 wann und wie in der Praxis zu verwenden sind, herausgegeben
haben.

Es gibt:
ISO Functional Standard - weltweit
NBS (National Bureau of Standards) - US Profil
CEN/CENELEC (Europaeische Postverwaltungen) - Europaeisches Profil
INTAP - Japanisches Profil

MAP/TOP (Manufacturing Automation Protocol, Technical and Office
Protocol) gehen ueber den Standard von X.400 hinaus und beschreiben,
neben der Verwendung von anderen Standards (FTAM,MMS), auch Anwendungen
welche diese Standards verwenden.

Das heisst also, dass trotz aller Standardisierungsbemuehungen von CCITT
noch immer lokale Unterschiede in der Anwendung dieser Standards
existieren, welche aber im Normalfall die Grundfunktion von X.400,
naemlich der Datenuebertragung zwischen Computer, nicht beeinflussen.


Wie entstand X.400?

Der Bedarf fuer OSI entstand in den fruehen 70'ern, als Computerbenutzer
erkannten, dass nur firmeneigene und mit allen anderen inkompatible
Kommunikationsarchitekturen existierten. Die Nachteile wurden erkannt,
Trends zu verteilter Computerintelligenz und verschiedenen Herstellern
innerhalb eines Netzes entstanden.

Als Antwort auf den steigenden Bedarf an Offenen Kommunikationsstandards
von Seiten der Benutzer und auch Computerhersteller wurde von ISO
(International Standards Organisation) im Maerz 1977 die OSI (Open System
Interconnection) Standardisierungsaktivitaeten ins Leben gerufen.

Definieren von standardisierten Prozeduren innerhalb eines gemeinsamen
Rahmens um die Verbindung von unterschiedlichen Strukturen zum Zweck
des Datenaustauschs und der Zusammenarbeit zu ermoeglichen.

Beschleunigen der Einfuehrung von Produkten, die herstelleruebergreifende
Verbindungen und Dienste ermoeglichen.

Ein Grossteil der Arbeit wurde von zwei Standardisierungsinstituten
ausgefuehrt: CCITT (Comite Consultatif International Telegraphique et
Telephonique) und ECMA (European Computer Manufacturers' Association).

Die Funktionen, welche den Kommunikationsprozess beschreiben, wurden in 7
Schichten unterteilt.

Jede Schicht beschreibt zwei Typen von Standards. Die "Service
Specification" (Dienstbeschreibung) definiert die Funktionen und
Dienste, welche dem darueberliegenden Standard zur Verfuegung gestellt
werden, waehrend die Protokolldefinitionen die Aktionen zwischen Systemen
innerhalb der gleichen Schicht beschreiben (Peer to Peer Protocol).

Die Unterteilung der Schichten trennt zwischen kommunikationsorientierten
Funktionen in den unteren Schichten und benutzerorientierten Funktionen
in den oberen Schichten. Benutzerorientierte Standards muessen Schicht
sieben erreichen.

Wie ueblich bei sehr grossen Institutionen ging die Arbeit nur sehr
schleppend voran, und desgleichen dauerte es auch sehr lange bis ISO
diese Standards anerkannte.

1980 wurde der X.25 Standard, welcher von CCITT 1976 verabschiedet wurde
und die unteren drei Schichten beschrieb, von ISO akzeptiert.

Erst im Maerz 1988, dem 10. Jahrestag der Gruendung von OSI, wurde X.400
und FTAM (File Transfer Access and Management), welche von CCITT schon
1984 verabschiedet wurden, von ISO als erste Anwendungen fuer die OSI
Anwendungsschicht (Schicht 7) freigegeben.


Warum soll man X.400 verwenden?

X.400 als solches wird man in jenen Faellen verwenden, wo es die
kostenguenstigste, einfachste oder einzige Methode ist um Daten in
Nachrichtenform zu uebertragen.

X.400 wird ausserdem bei allen Systemen zur Verwendung kommen, welche
man gemeinhin als Electronic-Mail Systeme bezeichnet (z.B. TeleBox).
Anm. d. Red.: Insbesondere sollen alle Datendienste auf X.400 abgebildet
werden. Beispielsweise soll man ueber X.400 nicht nur Mails in einem
einheitlichen Format, sondern auch Grafiken, Vertraege, etc uebertragen
koennen. Integration laesst gruessen.

X.400 hat den besonderen Vorteil international standardisiert zu sein.
Dies bedeutet, wie es auch schon vielerorts geschehen ist, dass
Verwaltungen, Regierungsstellen und grosse Institutionen X.400 als
Standardtransportprotokoll festgelegt haben. Das heisst weiterhin, dass
jeder, der mit solchen Stellen zu tun hat, X.400 einsetzen koennen sollte
oder sogar muss.

Dasselbe gilt in gleichem Masse fuer EDIFACT (Electronic Data Interchange
for Administration, Commerce and Transport) zur standardisierten
Datenuebermittlung im Geschaeftsbereich, und natuerlich auch fuer den
Transport solcher EDIFACT Daten ueber X.400.


Wo wird man X.400 nicht verwenden?

X.400 wird dann nicht verwendet werden, wenn grosse Datenmengen mit z.B.
mehr als 10 Millionen Zeichen, ueber oeffentliche X.400 Knoten zu
transportieren sind. Anm. der Red.: Wobei das nur eine Frage der verwendeten
Netze ist. Fuer ein hoeheres Datenaufkommen waeren "nur" Hochgeschwindigkeits-
netze mit mehrere MB oder gar GB pro Sekunde noetig, wie sie beispielsweise
derzeit in den USA (1992: 3GBit/sec) aufgebaut werden.

Der Grund dafuer ist einfach:
Zu geringe Geschwindigkeit, zu hoher Leitungspreis und zu geringe
Maschinenkapazitaet der Rechner.
Dies ist nur dann machbar, wenn solche Daten zwischen Anlagen ueber
Hochgeschwindigkeitsleitungen (>64 kBit/s) ausgetauscht werden.

Fuer solche Zwecke wird man weiterhin sehr oft Magnetbaender benutzen,
oder FTAM, welches man nur zwischen zwei Rechnern und nicht in einem
Netz benutzen kann.

X.400 wird auch dort nicht verwendet werden, wo die geeigneten Geraete
und Kommunikationsanlagen nicht vorhanden sind. Es ist allerdings
moeglich solche Interessenten, welche nicht die noetige Infrastruktur
haben, ueber andere Wege und Kommunikationstechniken anzuschliessen.


Wofuer wird X.400 verwendet?

X.400 wird im Moment meist dazu verwendet, um Firmen- und
Organisationsweit "Electronic Mail" Systeme herstelleruebergreifend, aber
auch zwischen Computern gleicher Hersteller, zu verbinden.

X.400 IPMS (Interpersonal messaging system) kann als Ersatz der "gelben
Post" im Bereich der Elektronischen Nachrichtenuebermittlung gelten.

Das heisst:

Wie bei der Post gibt es in X.400 ein Brieffach (UA=Useragent), eine
Uebermittlungseinheit (Postbote=Transportmedium wie X.25 oder SNA) und
ein Postamt (MTA = Mail Transfer Agent).

Die Postaemter wiederum unterteilen sich in:

Private oder Firmeninterne Postverwaltungen (PRMD=Private Management
Domain) und oeffentliche und Internationale Postverwaltungen
(ADMD=Administrative Domain).

In dem Verwendung findenden Standard von 1984 sind nur sehr wenig
Benutzerorientierte Funktionen definiert, und daher gibt es in diesem
Bereich ausser dem IPMS (s.o.) nur firmeninterne oder zwischen zwei
Firmen definierte Anwendungen. Erst mit dem naechsten Standardwerk 1992
wird erwartet, dass sich dieser, fuer viele Benutzer ungenuegende Zustand,
aendern wird. Fuer diese Zeit ist X.500 (weltweites Verzeichnis fuer X.400)
und X-EDI (EDIFACT konformer Useragent) angekuendigt. Das wuerde bedeuten,
dass man etwa 1992 (erste X.500 Applikationen) bis 1995 (X-EDI)
Anwendungen, die auf Standards basieren und X.400 verwenden, wird kaufen
koennen.

Dies bedeutet allerdings nicht, dass man X.400 nicht jetzt schon anwenden
koennte. Die meisten Beduerfnisse lassen sich mit den existierenden
Funktionen befriedigen und 1990, wenn erste X.400 Programme mit den
Funktionen wie in X.400/1988 beschrieben erwartet werden, lassen sich
nahezu 90 % aller Anwendungen, welche diesen Bereich jemals verwenden
koennen, verwirklichen.

Auch jetzt schon kann man (und tut es auch) Nachrichten, Texte, Daten in
Textform oder konvertiert, EDI Daten (Electronic Data Interchange),
welche meist in Textform vorliegen, und auch Zeichnungen in Standard-
Austauschformaten, mit Anwendern in aller Welt, welche Anschluss an eine
X.400 Anlage haben, oder selbst eine besitzen, austauschen.


Was braucht man um X.400 anwenden zu koennen?

Zuerst waere zu pruefen, ob man ueberhaupt einen Bedarf hat oder ob man
statt dessen oeffentliche Electronic-Mail Dienste verwenden kann, welche
ungleich guenstiger sind. Dies haengt sowohl von der Anzahl, wie auch von
Art und Laenge der bearbeiteten oder in Zukunft zu bearbeitenden Daten
ab. Ausserdem muss man beachten, dass Daten ueber X.400 verschickt nicht
sofort beim Empfaenger ankommen, sondern unter Umstaenden erst nach
Minuten oder sogar Stunden (maximal 24). Ist dies alles in Betracht
gezogen worden und wenn alle anderen Uebertragungsmoeglichkeiten (Telefon,
Mailbox, Telex, Teletex) aus verschiedensten Gruenden nicht in Frage
kommen, kommt noch das Problem mit den Kosten.

Im Moment sieht es so aus, dass die kleinste X.400 Anlage ein PC ist,
welcher allerdings ausser X.400 nichts macht. Diese Moeglichkeit ist fuer
alle Firmen mit LAN oder solche die planen, eines zu installieren,
interessant. Die Preise bewegen sich dabei auch auf PC-Niveau.

Im Bereich der Minicomputer ist das Angebot sehr gross, und es koennen alle
Hersteller in diesem Bereich geeignetes anbieten. Die Preise sind
allerdings auf Grund der geringen Verkaufszahlen im Moment noch hoch,
werden aber mit der Anzahl der verkauften Pakete stark sinken.

Fuer solche Firmen, welche nur mit einem oder zwei PC ausgeruestet sind,
bietet es sich an, ein Electronic Mail System zu benutzen, oder in naher
Zukunft sogenannte "Remote Useragents" zu verwenden. Dies sind kleine
Kommunikationspakete fuer PC, auf welchen man lokal die Anwendungen
hat und mittels eines speziellen X.400 Protokolls mit einem X.400
Knotenrechner Verbindung aufnehmen kann. Dies funktioniert auch
mittels Telefon, im Gegensatz zu X.400, welches im Normalfall nur ueber
X.25 angeboten werden wird. Die Preise dafuer werden sehr gering sein.

Es gibt auch Spezialanwendungen von X.400 wie das Transferieren von FAX
Daten von einem normalen FAX Geraet ueber einen speziellen X.400
Knotenrechner und weiter zu einem anderen X.400 Knotenrechner ueber
eigene Hochgeschwindigkeitsleitungen. An diesem X.400 Knotenrechner
werden diese FAX Daten auf normalem Weg ueber das Telefon ausgegeben. Der
Vorteil bei dieser Methode ist, dass man keine Probleme und Zeitverluste
wegen besetzter Telefone hat, die Daten schneller und sicherer
uebertragen werden, man eine gesammelte Rechnung von einer Stelle
bekommt, nur lokale Telefonrufe mit Ortsgebuehr hat, und vieles mehr.
Ausserdem koennen weiterhin normale FAX Geraete verwendet werden, denen
eine "Black box" vorgeschaltet ist, welche sehr guenstig ist.

Auf Grund der sehr hohen Maschinenkosten und hohen Installationskosten
der Uebertragungseinrichtungen zwischen den Knotenrechnern sind die
Kosten pro FAX meist nicht geringer als ueblich.

Der normale X.400 Verkehr wuerde von solchen Einrichtungen
mitprofitieren, da auch alle anderen Nachrichten zwischen diesen
Knotenrechnern ueber die schnellen Uebertragungswege transportiert wuerden.

Literatur:

-CCITT X.400 Recommendations October 1984 red book
-OVUM Report X.400 Markets: The Users Decide
 Eliane Jason-Henry, Julian Hewett, David Lewin
-Elektronische Post und Datenkommunikation
 Plattner, Verlag Addison Wesley, Vertrieb ERB
-Softlab Seminar OSI Einfuehrung, X.400, X.500
-PC Magazin 17/89, Verlag Markt & Technik
-The X.400 blue book companion Carl-Uno Manros, Technology Appraisals
-Sonderband Mitteilungsuebermittlungssysteme CCITT V-Serie und X-Serie
-G. Schenk, Verlag R.v. Decker's Fachbuecherei

Dank an: Hr. PREIER aus Telebox - Austria

Quelle: Zerberus-Netz, Absender: P.Haenelt (SYSOP@RAVENNA)

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