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Computer und Telefon in der DDR


Obwohl das Thema der Podiumsdiskussion "Das Telefonnetz in der DDR" lautete, 
wurde erst einmal eine Bestandsaufnahme der Technik, die zur Zeit in der DDR 
benutzt wird, gemacht. So sind zum Beispiel in der DDR die verbreitesten 
Rechner der C64, Spectrum, Atari XL und Geraete auf Z-80 Basis. Ein C64 
kostet dabei in der DDR etwa 7000 Mark bei einem Monatseinkommen von 
ca. 900 Mark. Die Heimcomputer des VEB Robotron sind teilweise nicht 
sinnvoll nutzbar und Drucker werden nur in den Westen exportiert.
Im professionellen Bereich sind CP/M Geraete noch Standard. Die DDR-eigenen 
XTs sind nur zu 90% kompatibel zum Industriestandard. Weil der VEB Robotron 
zu lange auf 286er-Technologie gesetzt hat, wird Unix nur vereinzelt auf 
386ern, die entgegen den CoCom Bestimmungen aus dem Westen importiert wurden, 
eingesetzt. Ein Verschicken von Disketten in die DDR ist/war wegen der 
Willkuer des DDR-Zolls nicht moeglich, weil nach dem Gesetz der magnetische 
Traeger ueberpruefbar sein muss und die Technik fuer die Ueberpruefung nicht 
vorhanden ist.

Das Telefonnetz

In der DDR hat nur ca. jeder zehnte Haushalt einen Telefonhauptanschluss. 
Der Muenzer um die Ecke ist immer noch ein alltaeglicher Notbehelf. Aber 
selbst dann hat man mit der alten Technik zu kaempfen: Die Vermittlungs-
anlagen und Kabel (aus den 20er und 30er-Jahren) schreien nach Erneuerung. 
Darueber hinaus sind viele Telefonanlagen in Firmen und Instituten in ihrer 
Reichweite auf das Stadtgebiet begrenzt. Fuer 80 Mitarbeiter stehen manchmal 
nur drei Amtsleitungen zur Verfuegung.

Die Kosten fuer einen Telefonanschluss sind vergleichsweise gering: 
26.- Mark kostet der Anschluss monatlich, ein in der Laenge unbegrenztes 
Ortsgespraech etwa -,50 Mark. Von Ost-Berlin nach West-Berlin gilt der 
Dreiminutentakt (pro Einheit -.85 Mark). Aber es ist nicht unueblich, dass 
zehn Jahre vom Tag der Antragstellung bis zum tatsaechlichen Anschluss des 
ersehnten Apparats verstreichen.

Datenfernuebertragung

Aber selbst wenn man nun einen Anschluss zur Verfuegung hat, kann man noch 
keine DFUe machen: Fuer Privatleute ist es praktisch unmoeglich, DFUe zu 
betreiben, weil es rechtlich untersagt ist und Antraege nicht bearbeitet 
oder abgelehnt werden. Versuche einzelner Mitglieder von Computerclubs in 
blockfreien Staaten eine Mailbox oder ein Netzwerk zu benutzen wurden 
unterbunden.

Informationsaustausch

Besonders jetzt ist es notwendig, einen schnellen und auch billigen 
Informationsaustausch innerhalb kurzer Zeit zu realisieren, um z.B. Infos 
einzuholen und Diskussionsgrundlagen fuer Gespraeche am runden Tisch zu 
liefern. Dies ist noetig, weil bis jetzt nur die etablierten Parteien 
Informationen wirkungsvoll verteilen und austauschen koennen. 
Es stehen verschiedene Modelle zur Diskussion, um diese Isolation der 
Gruppierungen aufzuloesen:
1) Verbreitung von Infos auf lokaler Ebene durch Fotokopieren
   Ist sicherlich in jedem Fall notwendig, um Infos weiterzuverteilen. 
   Aber das Problem des Transfers zwischen den Staedten und Staaten ist 
   damit nicht geloest.
2) Videotext als Wandzeitung
   Im Fernsehen der DDR laufen z.Z. Versuche zum Installieren eines 
   Videotextsystems. Die Videotextdaten werden zusammen mit dem 
   Fernsehbild verschickt. Auf der Empfaengerseite wird nur ein relativ 
   einfacher Decoder benoetigt. Dieses Modell hat aber den Nachteil, dass 
   die Ausstrahlung zentral erfolgt. Ansonsten ist aber eine schnelle 
   und weitreichende Informationsverbreitung gewaehrleistet.
3) Mailboxen und Telefax
   Zur Zeit ist eine Uebertragung von Daten ueber das veraltete Telefonnetz 
   nicht moeglich, wie einige Versuche zeigten. Daher scheidet vorerst der 
   Einsatz von Mailboxen, Mailboxnetzwerken und Telefaxgeraeten aus. Zwar 
   ist bereits die Modernisierung des Telefonnetzes mit Hilfe der Deutschen 
   Bundespost Telekom geplant, aber dies ist nicht kurzfristig realisierbar 
   und bringt auch wieder die hierzulande schon bekannten Probleme des 
   Datenschutzes und der Abhaengigkeit von Autoritaeten mit sich. Die 
   Chance eines richtigen Neuanfangs wird durch die vorschnelle Einfuehrung 
   von ISDN in der DDR unterlaufen.
4) Vernetzung ueber Packet Radio
   Von Wau ging der Vorschlag aus, ein Netzwerk ueber Packet Radio (DFUe 
   per Funk ueber ein paketorientiertes, fehlerkorrigierendes Protokoll 
   (AX.25)) zu realisieren. Man koennte einzelne Stationen mit einem sehr 
   geringen Hardwareaufwand aufbauen (z.B. C64 + Funkgeraet + Schaltung 
   fuer etwa 40 DM). Die Sourcen und die Dokumentation zum Netzwerk waeren 
   einfach erhaeltlich. In der Bundesrepublik wird eine weite Ausbreitung 
   des Packet Radio Netzes nur durch die Deutsche Bundespost Telekom 
   verhindert, weil sie u.a. einen Gebuehrenschwund im Telekommunikations-
   sektor fuerchtet. Da aber beim Amateurfunk nur bestimmte Infos (keine 
   politischen Meinungen) und keine verschluesselten Texte uebertragen 
   werden duerfen, sollte man die Uebertragung auf den Bereich des CB-Funks 
   verlagern, der ausserdem in der DDR noch nicht genutzt wird. Dies ist 
   besonders heikel, weil der CB-Bereich in der Regel nur fuer Sprach-
   uebertragung vorgesehen ist. Aber da es zur Zeit keine gueltigen Gesetze 
   in der DDR gibt, die dies regeln, koennte man die Luecke nutzen, ein 
   System aufbauen und hinterher die Gesetze an diesen Fakten ausrichten. 
   Dies muss aber sehr schnell geschehen, weil es in einem halben Jahr schon 
   viel zu spaet fuer dieses Buergernetz waere. Wau haelt es fuer 
   realistisch, innerhalb von 1/4 Jahr etwa 30 bis 50 Stationen zu 
   installieren. Dabei sollten die Freaks und Funkamateure aus der DDR den 
   technischen Part uebernehmen und die Buergerinitiativen diese Technik 
   fuer ihre Zwecke benutzen. Ein Problem hierbei ist die drohende Ab-
   haengigkeit von den "Technikgurus", die ein neues Informationsmonopol 
   bilden koennten.
5) Ein weiterer Standpunkt wurde von Wolfgang Schroeder (M.U.T.) ver-
   treten, der mehr Ideen anstatt uebermaessiger Technisierung fordert.

Zum Schluss der Veranstaltung "Buergernetze" wurde beschlossen, pragmatisch 
die einzelnen Modelle in Arbeitsgruppen zu planen und eine "Wunschliste" 
fuer Technik, die in der DDR gebraucht wird, aufzustellen. Jeder sollte 
seine, vielleicht hier schon veraltete Technik spenden, um beim Aufbau einer 
neuen, unabhaengigen Informationsstruktur in der DDR zu helfen. Zuerst 
sollten Fotokopierer den Organisationen bereitgestellt werden und ein 
Kommunikationssystem aufgebaut werden, das auch ausbaubar sein sollte. Auf 
den Datentransfer kann jetzt und in Zukunft nicht verzichtet werden.

Henne/Gec.
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