GALACTIC HACKER PARTY - Amsterdam
Bevor wir zu einer vernichtenden Kritik ausschweifen, loben wir
erst einmal die Veranstaltung. Das muss so sein, denn sonst waere
es einfach ungerecht. Das Paradiso - eine ehemalige Kirche und
heutigen Computerladenbesitzern bestens als 'Kiffer-Paradies'
bekannt - gab den Rahmen (Thomas Vogler fing auch sofort mit
Bibel-Zitaten an...). Die Organisation ist professionell -
daneben. Nicht verstanden ist, dass Computer auch eine komplett
neue Veranstaltungsstruktur (eben den Kongress - nicht die Party)
erfordern. Hier kommt nun nicht eine Musikgruppe mit irrsinnig
teurer Technik her um sich auf eine Buehne zu stellen und etwas
vorzufuehren - sondern es kommen (im Besten Fall) hunderte von
Hauptdarstellern (die alle Eintritt bezahlen) und haben etwas
vorzustellen.
Aehnlich wie im Film 'Fahrenheit 840': Jeder hat ein
Buch - ein Manuel - gelesen und kann anderen weiterhelfen. "Teach
me PC-TOOLS and I will teach you NORTON ULTILITIES" - Gibst Du
mir Steine - geb ich Dir Sand... In Amsterdam, der Hauptstadt der
kiffenden Hippies - mitten im "PARADIES(O)" wird die Struktur
Angst(!) vergangener Zeiten (die Schublade) verwendet.
Bodyguards an der Tuer, Abschottungen der "ernsthaft" arbeitenden
Menschen - die Abschlisserklaerung seit drei Tagen vor Beginn
bereits fertiggeschrieben. Im Grunde also eine erzkonservative
Veranstaltung. Nicht zu unterscheiden von herkoemmlichen
Parteitagen mit vorgefertigten Statements und gemeinsamer
Abschlusserklaerung. Aber wir wollten loben: Die Veranstalter
flogen "Stars" aus Amerika (Mutterland der Vatermoerder ein. John
Draper alias Captain Crunch (in Amsterdam in Captain Smoke
umbenannt) mit Tabakphobie und "Stretching-Fimmel". Lee
Felsenstein fragte auf der Fahrt vom Flughafen erst einmal nach
Captain Smoke: Wenn der wieder mit seinen "fucking exercises"
ankommen wuerde, wuerde er ihm eine Portion Rauch ins Gesicht
blasen. (Der Schlingel ist auch Nichtraucher...). Lee Felsenstein
kolportierte an sonsten sein Konzept des Barbie-Puppen-Computers.
Zum Geburtstag gibt's erst einmal das Grundgehaeuse, und zu
Weihnachten dann die erste Speichererweiterung und naechstens Jahr
die serielle Schnittstelle - und alles zu Preisen, dass es die
Tanten und Onkels (zaehneknirschend zwar immerhin)
bezahlen... Das Ganze nennt er dann "Cyberpunk" - Computer fuer
die Kid's. William Gibson wuerde sich im Grab umdrehen - wenn er
schon gestorben waere. Interessant war, dass er den Chaos Computer
Club bei seiner Antrittsrede als das lobte, was er auch ist: Ein
kulturelles Ereignis, ein Medium. Also ganz dumm kann er nicht
sein. Nuechtern machte er auch nicht diesen Eindruck. Aber. Na ja.
Abends war mit ihm nicht mehr zu reden. Nicht wahr, Andy...
Die Vorstellung eines Computer-Links nach Moskau:
"Hallo hier Moskau - Was wollt ihr wissen?" Ein bedeutsamer Satz
im Spitzelzeitalter. Captain Smoke war permament am telefonieren
und Leute am anschreien und versuchte jeden von der Wichtigkeit
seiner Mission und Person und seiner Stretching-Uebungen zu
ueberzeugen. Zumindest von Letzterem hat er absolut keine Ahnung.
Ansonsten ist ein typisch amerikanischer Irrer: Quick, fast and
heavy. Ausserdem redet er amerikanisch. Igitt. Also im Grossen und
Ganzen eigentlich nicht unsympathisch. Ein Georg Ladanyi der
Hacker.
Die Diskussion zwischen Pengo und Wau wurde von den Veranstaltern
(wie so vieles), an dem Punkt wo's spannend wurde, abgebrochen.
(Die Zeit draengte). Auch hier: Die hollandischen Veranstalter
versuchten mit typisch deutsch/amerikanischer Effektivitt eine
Veranstaltung ueber die Buehne zu bringen. Na ja, wir leben noch.
In weiten Kreisen freut man sich nun auf die nette,
unkommerzielle Arbeits-Atmosphoere beim CCC-Kongress dieses Jahr.
Amsterdam dient als abschreckendes Beispiel. Mit vielleicht der
Ausnahme, dass man auch darueber nachdenkt, mehr Wert noch auf die
Internationalitaet und internationale Gaeste zu legen.
Na ja. Und falls die dass naechstes Jahr wieder eine Veranstaltung
machen - fahren wir natuerlich auch wieder hin...
...und jetzt habe ich den Artikel noch einmal durchgelesen und
stelle fest, daa er einfach nicht boese genug ist. Klar war es
lustig. Und Menschen wie wir, finden immer die Suppe zwischen den
Haaren. Aber es sollte nicht ungesagt bleiben, dass sich ein
Grossteil der Gaeste (und eingeladenen Akteure) schlichtweg
verarscht vorgekommen sind. Tatsaechliches Arbeiten war komplett
unmoeglich. Ein Modem zu finden ebenso. Lediglich ueber die
installierte Sun war ein Zugang nach aussen zu bekommen. Das
reicht zwar fuer's Hacken, nicht aber um relativ sicher seine
ZERBERUS-Poll-Versuche via Terminalversion zu starten. Zumal alle
Datenstroeme ueber die Sun - wie der Veranstalter nach einer
netten Bloeffaktion seitens des CCC zugab - mitgeschnitten
wurden. Als die Herausgabe der Daten verlangt wurde, behauptete
Rob, dass die Sun dauernd abgestuerzt sei und deswegen das mit dem
Mitschnitt nicht geklappt haette. Was Rob nicht weiss, ist, dass
zwei Leute sich im kleinen Buero (wo einige der Modems standen)
ein wenig umgesehen haben... (Wo die Tuer nicht abgeschlossen ist,
geht man rein zufaellig schon ein und aus...). Ansonsten hatten
alle Amsterdamer die unangenehme Art bei Anfragen stets nur
ausweichende Antworten zu geben. Ein WDR-Team war stendig
genervt, weil Jan (Mitinhaber des Paradiesos) staendig noergelte,
dass sie nicht filmen durften, dann doch wieder, dann wieder nicht
- also eher DDR-maessig. Erst nach Stunden liess er dann raus, dass
er schlicht und einfach Geld wollte. Nervig, diese Amsterdamer.
Ansonsten muss man an dieser Stelle noch den Amsterdamern danken,
die nervigen Deutschen Schlafplaetze zur Verfuegung stellten.
Wie halten die das bloss aus? Das ganze Jahr. Immer dasselbe.
Wir sehen uns im Hamburg im Dezember. Glaubt bloss nicht, dass das
ein Vergnuegen wird. Da wird gearbeitet.
//padeluun
(PADELUUN@BIONIC.ZER)
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