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Bang with Friends, Fun with Journalist

Seit gestern tauchen Artikel über eine neue Anwendung bei Facebook auf, deren Existenz sehr unterschiedlich bewertet wird. Die Rede ist von BangWithFriends. Sie erlaubt bei seinen Facebook-Freunden die Bereitschaft zu signalisieren, mit Ihnen gern mal einen One-Night-Stand verbringen zu wollen.  Das Opfer erfährt davon nichts, bis es selbst die Anwendung nutzt und die gleiche Person entsprechend markiert. Dann erfahren beide via E-Mail, dass sie zusammenfinden können.

Deutsche Medien, wie z.B. SPIEGEL berichten natürlich unter dem Gesichtspunkt des Datenschutzes. Auch der Focus geht in die Richtung und warnt:

Und nicht nur das: Auch die Anonymität der liebeshungrigen Anwender lässt zu wünschen übrig: Denn mit den Facebook-Voreinstellungen kann jeder Nutzer sehen, welche seiner Freunde die Sex-App nutzen….

Damit ist gemeint, dass jede Anwendung von Facebook, für die man sich anmeldet, erstmal von Freunden sichtbar ist – wenn man es nicht auf die Einstellung „Nur ich“ ändert, also der Nutzer hier nicht liest, was er tut. So wird wenigstens etwas Aufmerksamkeit darauf gelenkt, dass Nutzer bei Anwendungen nicht gedankenlos dieser zuviel Rechte einräumen sollte.

Viel spannender ist aber, dass sich keiner Gedanken darüber macht, ob und wie weit die Anwendung eigentlich Sinn macht ?

Inhaltlich muss man sich natürlich fragen, wie würde die Praxis ablaufen? Da vergibt man also eine Art Bang-Ranking unter seinen Freunden bzw. Freundinnen. Irgendwann erhält man eine E-Mail.  Allein das aktuelle Verhältnis von 30.000 (Facebook gibt „nur“ 10.000+ an) Nutzern der Anwendung zu einer Milliarde Facebook-Usern lässt den Dienst eher mit einen Lotterie mit geringen Trefferchancen erscheinen lassen.

Nehmen wir aber an, es finden sich auf diese Art zwei Menschen zu einen potentiellen Stelldichein – was ist nun wahrscheinlicher? Dass beide sagen, prima das wir uns gefunden haben oder dass beide sagen „Das war nur ein Scherz, meintest du das bei dir ernst?“ und die Peinlichkeit damit ungeahnte Dimensionen annehmen dürfte.

Dann schauen wir uns mal die Algorithmen an, die hier zur Anwendung kommen:

Eine Anzahl von Freunden wird dargestellt. Welche, da scheint kein Muster hinter zu sein. Ein Mann kriegt ein Teil seiner weiblichen Freunde angezeigt, aber hier und da schleicht sich auch mal der eine oder andere Mann ein. Die ausgewählten Personen haben keine Gemeinsamkeit: Weder sind sie alle Single (auch Verheiratete tauchen in der Liste auf), noch sind sie nur aus der Gruppe „Enge Freunde“, noch haben sie einheitlich Angabe gemacht woran sie interessiert sind oder welchen Status sie angehören. Nicht mal eine räumliche Nähe scheint eine Relevanz zu haben. Es sieht mehr danach aus, dass 24 Bilder von Freunden angezeigt werden, und die Markierung keine echte Bedeutung hat (ausser ggf. eine E-Mail auszulösen).

Die Webseite ist offensichtlich einfach gestrickt. Die Privacy Policy passt nicht zum Dienst und ist eine Kopie von anderen Webseiten wie z.B. TextReject. Die Terms haben nicht die Mindestangaben die für einen Dienst notwendig sind. Ausser einer E-Mail-Adresse gibt es keine Angabe, wer den Dienst betreibt.

Kommen wir zum Vermarktungsstrategie. Es wird im Artikel (korrekt) angemerkt, dass die Richtlinie von Facebook solche Anwendungen verbieten und sie schon mal gesperrt werden würde. Gleichzeitig wird berichtet, der Anbieter hätte schon eine iPhone Anwendung in Planung. Zur Erinnerung: iPhone Apps durchlaufen einen Prüfungsprozess, bevor sie überhaupt im Store aufgenommen werden. Anwendungen wie z.B. die Stern App die schon mal gesperrt wurde – wegen leicht bekleiderter Damen.

Die Entwickler haben bei Daily Beast gesagt, sie hätten das in zwei Stunden entwickelt. Genau dies ist das was man hier erkennen kann:

Eine Webseite, kein echter Algorithmus, keine rechtliche und solide Basis des Dienstes. Das einzige „dauerhafte“ Ziel was zum aktuellen Zeitpunkt gesichert scheint: Medienaufmerksamkeit.

Alles deutet darauf hin, dass es genau das ist: Eine Idee, die man sich bei einen abendlichen, Bierverhangenen Gelage entstanden ist. Den es ist ein ideales Thema: Es vereinigt Sex, diese obskuren Social Media Nutzer, Facebook und Datenschutz.

Alles Zutaten die man heutzutage nur braucht – nicht um einen Dienst zu starten, sondern einen kleinen Mediahype-Scam auszulösen.

Damit wird der Medienberichterstattung erneut vor Augen geführt, wie leichtfertig sie heute Themen aufgreift und einfach wiedergibt ohne zu recherchieren oder auch nur etwas nachzudenken. Da der SPIEGEL hierbei im Artikel den Dienst „Bang your friends“ nannte, statt „Bang with Friends“ ist dafür nur symptomatisch. Das der Artikel den ganzen ersten Tag der Berichterstattung auf auf der Spiegel-Startseite promotet wurde zeigt eigentlich nur eines:

Wir leben in der Zeit der leichtgläubigen Journalisten, die nach dem Vorurteil „Sex sells“ arbeiten, Vorurteile schüren oder anstatt über News zu berichten, sie selbst machen wie im Fall Brüderle. Hier und da – wie im letzten Fall – mag daraus auch mal eine gute und wichtige Debatte entstehen, aber eigentlich ist es ein Armutszeugnis für die heutige journalistische Welt.

Der qualitativ hochwertige Journalist wird am Ende nicht an Facebook, Blogs, dem Internet oder der Huffington Post zugrunde gehen – sondern einfach am Nachwuchs und an den Chefredakteuren, die sich der Qualität nicht mehr verpflichtet fühlen. Das ist bedauerlich. Qualitätsjournalismus braucht die Welt, denn Blogger – wie ich – können halt nicht die „vierte Gewalt“ in der Demokratie ersetzen.

1 Kommentar zu „Bang with Friends, Fun with Journalist“

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